Die Mexikanerin Patricia Osuna Fuentes ist Umwelt- und Frauenrechtsaktivistin und lebt in Hermosillo, Sonora. Sie spricht über die Sicherheit von Frauen in einem Land, in dem pro Tag rund neun Femizide verübt werden.
Wie sicher fühlen Sie sich als Frau in Mexiko? Und warum?
Sehr unsicher, die Lage in Mexiko hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verschlechtert. Es gibt keinen einzigen Moment, in dem man auf der Straße, auf einer Party oder in einem Club nicht wachsam sein muss. Man könnte jede Sekunde in ein Auto gezerrt werden, zu Fuß zu gehen ist eine Gefahr für Frauen.
Wo droht Frauen eher Gewalt: auf der Straße oder in der eigenen Wohnung?
Beides, aber auf unterschiedliche Arten und Weisen. Häusliche Gewalt kommt in vielen verschiedenen Formen vor: ökonomische, physische, psychische und emotionale Gewalt. Auf der Straße wird man belästigt, gecatcalled, verfolgt und könnte sogar entführt werden.
Welche Schritte können Frauen vornehmen, um sich gegen häusliche Gewalt zu wehren?
Am häufigsten wird 911 angerufen, wenn überhaupt. Die meisten Fälle werden nämlich aufgrund mangelnder Effizienz der Polizei und des Justizsystems gar nicht erst gemeldet. Reviktimisierung, Unsicherheit und Straflosigkeit der Täter sind die größten Abschreckungsfaktoren.
Wir haben auch ein „Fraueninstitut“, das mit anderen (privaten und öffentlichen) Institutionen zusammenarbeitet, um das Bewusstsein für häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen usw. zu schärfen. Es fehlen jedoch geeignete Präventivkampagnen und Maßnahmen zur Sensibilisierung.
Das Institut dient auch als erste Beratungsstelle für Frauen, die einen Prozess starten wollen. Frauen sollen dort auch durch den Prozess der Meldung und der Klage begleitet werden. In all diesen Angelegenheiten lässt die Umsetzung jedoch zu wünschen übrig und die Frauen, die es am meisten benötigen würden, werden nicht erreicht. Es könnte ein großartiges Instrument sein, aber es fehlt der Wille derer, die die Institution führen.
Wird von Gewalt betroffenen Frauen effizient geholfen?
Die Polizei ist zwar in der Lage, im Notfall zu helfen, meistens ist es aber zu spät. Betretungsverbote werden zwar häufig verhängt, aber kaum exekutiert. Verletzungen bleiben straffrei. Das trifft vor allem zu, wenn Frauen und Familien mit niedrigem Einkommen betroffen sind, die sich keinen Anwalt leisten können.
Das Problem mit der Meldung von häuslicher Gewalt ist, dass die Gefahr dadurch nicht aufhört. Der Staat ist nicht in der Lage, Frauen, die häusliche Gewalt melden, Sicherheit zu bieten. Von Gewalt betroffene Frauen riskieren ihr Leben.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Frauen, sich gegen häusliche Gewalt zu wehren?
Bei unmittelbar drohender Gefahr können sie ihren Fall bei der Polizei melden und potenziell strafrechtlich vorgehen. Sie können außerdem mit der Hilfe von Anwälten klagen und sich einem Gerichtsverfahren unterziehen, im besten Fall führt dies zu einem wirtschaftlichen Nutzen für die Frau.
Auf jeden Fall brauchen Frauen ein Netzwerk, das sie unterstützt, um vor weiterer Gewalt sicher zu sein. Sodass sie entweder in der Lage sind, sich an einen anderen Ort – weg von der gewalttätigen Person – zu bewegen, oder von ihren Mitmenschen vor dieser Person beschützt werden.