StartBusinessSollten wir unsere Zukunft anders denken?

Sollten wir unsere Zukunft anders denken?

Beim Blick in die Zukunft wird uns bewusst, dass wir jetzt schon in einer Zeit von all-dimensionalen Veränderungen und Polykrisen leben. In ihrem Gastbeitrag erklärt Mission Female Member Corina Kurscheid, wieso Optimismus unsere einzig sinnvolle Option ist.

Unsere Welt verändert sich so schnell wie noch nie – in Dimensionen, die wir so noch nicht erlebt haben. Uns fehlen Antworten auf viele Fragen. Dennoch haben wir Gewissheit: Business-as-usual zerstört unsere Welt-as-usual, nicht erst in der Zukunft, sondern bereits heute und jeden Tag ein Stück mehr.

Wir wissen um planetare Grenzen und deren Überschreitungen, uns ist bewusst, dass wir Gefahr laufen, unsere Welt (noch weiter) aus der Balance zu bringen. Wir wissen, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher und dass wir uns, unsere Gewohnheiten und Handlungen verändern müssen, wenn wir eine Zukunft auf dieser Welt haben möchten.

Eigentlich.

Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor uns

Soweit stimmen alle zu. Dennoch wollen nur die wenigsten mit dem Verändern anfangen. Und genau hier liegt die größte Gefahr für unsere Zukunft: Warten und Nichtstun.

Wir müssen eine riesige Zahl auf null reduzieren: etwa 52 Milliarden Tonnen Treibhausgase, die pro Jahr von uns in unsere Atmosphäre hineingegeben werden. Um eine Klimakatastrophe abzuwenden, müsste dieser Wert schnellstmöglich auf null reduziert werden (vgl. Bill Gates „How to avoid a climate distaster“).

Das hört sich schwierig an und das ist es auch. Wir haben eine Jahrhundertaufgabe vor uns, für die ein paar kleine Anpassungen nicht ausreichen werden. Wir müssen alle Aktivitäten unseres „modernen“ Lebens ändern, da immer mehr Menschen auf der Welt diesen Lebensstil leben wollen, und alle diese „modernen“ Aktivitäten Treibhausgase freisetzen:

29 % Bauen (Beton, Stahl, Plastik)
26 % Elektrizität
22 % Landwirtschaft (Ackerbau und Tierzucht)
16 % Transport und Mobilität (Flugzeuge, LKWs, Fracht)
7 % Heiz- und Kühltechnologie (Heizungen, Klimaanlagen, Kühlgeräte)

Zur Bewältigung unserer kollektiven Jahrhundertaufgabe haben wir nicht einmal mehr zehn Jahre Zeit. Dennoch ist Pessimismus keine Option.

Zur Bewältigung unserer kollektiven Jahrhundertaufgabe haben wir nicht einmal mehr zehn Jahre Zeit. Dennoch ist Pessimismus keine Option. Es lohnt sich, für jede ersparte Tonne Treibhausgas und somit jedes kleinste bisschen verhinderte Überhitzung zu kämpfen.

Nachhaltigkeit für 71 % der Menschen kein Hauptentscheidungskriterium

Wenn wir rational wissen, was eigentlich zu tun ist, – wieso ändern wir nichts oder nicht genug? Wieso versuchen wir, nur ein paar der Symptome zu bekämpfen, nicht aber an den Ursachen zu rütteln und unser (Konsum-) Verhalten grundlegend zu ändern?

Dieser Frage ist auch das Beratungsunternehmen Accenture Song nachgegangen und hat mehr als 10.000 Menschen in mehr als 10 Ländern befragt. Immerhin eine knappe Mehrheit von 53 % der Menschen versucht trotz aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen nachhaltiger zu leben. Fast der gleiche Anteil (47 %) denkt weniger über Nachhaltigkeit nach, da Inflation und steigende Preise für sie jegliche Nachhaltigkeit im Keim ersticken.

Vor diesem Hintergrund ist Nachhaltigkeit für 71 % der Menschen kein Hauptentscheidungskriterium und andere Variablen wie z.B. der Preis sind deutlich einflussreicher. Lediglich eine Minderheit stellt ihren Lebensstil und ihr Verhalten grundlegend in Frage und bestätigt:

  • nur noch essentiell benötigte Produkte zu kaufen: 49 % = 51 % tun dies nicht
  • ihren Stromverbrauch zu Hause zu reduzieren: 43 % = 57 % tun dies nicht
  • in den Kauf qualitativ hochwertigerer/langlebigerer Produkte zu investieren: 31 % = 69 % tun dies nicht
  • nachfüllbare Produkte zu kaufen: 25 % = 75 % tun dies nicht
  • Reparaturdienste in Anspruch zu nehmen statt neue Produkte zu kaufen: 22 % = 78 % tun dies nicht
  • vorrangig gebraucht statt neu zu kaufen: 21 % = 79 % tun dies nicht

Durch diese Dynamik steigen die durchschnittlichen persönlichen CO2-Emissionen der Menschen weltweit weiter an. Konsum, Wirtschaft und Wachstum finden in einer alten Rechnung mit der ausgedienten Logik „mehr ist automatisch besser“ statt – als gäbe es keine natürlichen globalen Grenzen.

Über diesen Zustand kann man jetzt verzweifeln und zum Pessimisten werden oder eine Riesenchance sehen – und sich mit anderen zusammentun und mögliche Lösungen erarbeiten.

Wie Nachhaltigkeit zu Mainstream werden kann

Nachhaltigkeit ist ein komplexes systemisches Thema, das Veränderungen in Politik, Technologie, Finanzierung, Infrastruktur und der Gesellschaft, also unserem individuellen Konsumverhalten erfordert. Wenn Veränderung auf der Micro-Ebene beginnt – also bei uns selbst – könnten alle Menschen gemeinsam das funktionierende System für Nachhaltigkeit werden.

Theoretisch.

Denn praktisch gesehen werden wir keine Veränderung im großen Stil hinbekommen, ohne dass alle Menschen darüber nachdenken, wie sie ihr Leben anders leben könnten, und dies dann auch tun.

Wir sind die erste Generation, die in Europa selbst hautnah erlebt, was Klimawandel bedeutet und welche Ausmaße eine Klimakatastrophe annehmen kann.

Wir sind die erste Generation, die in Europa selbst hautnah erlebt, was Klimawandel bedeutet und welche Ausmaße eine Klimakatastrophe annehmen kann. Und wir sind gleichzeitig die letzte Generation, die etwas ändern kann, bevor Grenzen und sogenannte Kipppunkte unwiderruflich überschritten werden.

Wenn wir wissen, dass wir schnell handeln müssen, wieso gehen wir Veränderung so schleppend an?

Das Forschungsinstitut Kantar bestätigt, dass weltweit unsere mangelnde Konsistenz zwischen Einstellung und Kaufentscheidung die zentrale Hürde auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist, der sogenannte „Value-Action-Gap“ (Kantar Studie März 2022): der Widerspruch zwischen unserem Wertesystem einerseits und unseren konkreten Handlungen andererseits.

Jede/r zweite Befragte in der Studie ist grundsätzlich bereit, nachhaltigere Produkte zu kaufen und das eigene Verhalten zu ändern, doch weitaus weniger tun das auch. Nachhaltige Verhaltensänderung bedeutet, dass wir unser Denken und Handeln grundlegend überdenken. Es geht darum, bewusste Entscheidungen zu treffen, die nicht nur unsere eigenen kurzfristigen Bedürfnisse berücksichtigen, sondern auch die Bedürfnisse zukünftiger Generationen und unseres Planeten.

Auf der Welt leben heute rund 8 Milliarden Menschen. Wenn all diese Menschen auch nur einen kleinen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gehen, ihre Entscheidungen und Handlungen nur etwas anpassen, wären das bereits 8 Milliarden kleine Schritte in die richtige Richtung.

Um wirklich alle Menschen anzusprechen, müssen wir sie dort abholen, wo sie sich in ihrer Lebensrealität, mit ihren Träumen, Wünschen und Sorgen gerade befinden. Dann können wir gemeinsam sogar in großen Schritten nach vorne gehen.

Wenn wir uns bewusst machen, dass unsere Sprache und unser Narrativ direkt unsere Sicht auf die Welt, unser Handeln und somit auch unsere Realität und unsere Zukunft beeinflussen, wird klar, dass wir hier eine Riesenchance haben.

Positive Geschichten spornen zum Handeln an

Also: weg mit den angsteinflößenden Szenarien und Dystopien, die nur kurzfristig schockieren und keine nachhaltige Veränderung bewirken. Stattdessen her mit dem wahren Hebel und Beschleuniger für Handlungen: positive Geschichten, die unsere menschlichen Werte aufgreifen, uns emotional berühren und zum Handeln anspornen.

Gute Geschichten sind das, was unsere Welt bewegen und verändern kann. Sie sind zweifellos ein Innovationstreiber für die Menschheit und haben in der Vergangenheit nicht nur Wissen und Erfahrungen weitergegeben, sondern auch unsere Vorstellungskraft angeregt, neue Ideen geweckt und Fortschritt bewirkt.

Indem wir Geschichten nutzen, um Bewusstsein zu schaffen, emotionale Verbindungen herzustellen und Handlungen anzuregen, können wir eine nachhaltigere Welt aufbauen, in der Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Nachhaltigkeit im Einklang miteinander stehen.

Wir haben viel zu verlieren, nämlich alles, was unser Leben auf dieser Welt ausmacht. Und gleichzeitig haben wir sehr viel zu gewinnen.

Lasst uns versuchen, über emotionale Verbindungen zu den Menschen wieder mehr Lust auf unsere Zukunft zu machen. Während Angst lähmt, können Optimismus & Humor wunderbar verbinden und unsere Welt wieder zusammenbringen.

Wir haben viel zu verlieren, nämlich alles, was unser Leben auf dieser Welt ausmacht. Und gleichzeitig haben wir sehr viel zu gewinnen. Wir haben die wissenschaftlichen Ergebnisse & Erkenntnisse und wir haben Lösungsansätze.

Lasst uns gemeinsam Nachhaltigkeit menschlicher machen und auf die Chancen der Veränderung schauen. Noch können wir es gemeinsam schaffen, unsere Welt für uns und nachfolgende Generationen lebenswert zu erhalten. Der Anfang liegt bei uns selbst.


Über die Person

Corina Kurscheid ist Global Associate VP Marketing bei Beiersdorf und verantwortet den Bereich NIVEA Personal Care. In dieser Rolle leitet sie die strategische Steuerung und End-to-End Innovationsentwicklung auf Globaler Ebene für die Kategorien NIVEA Deodorants and Body Cleansing. Sie ist zudem Mitglied des Beiersdorf Sustainability Council, treibt die Nachhaltigkeitsziele und Transformationsprozesse für NIVEA voran und setzt sich aktiv für Diversität sein. Nach ihrem Studium an der University of Westminster startete Corina ihre Laufbahn bei Saatchi & Saatchi und Scholz & Friends und führt ihre erfolgreiche Karriere seit 2007 bei Beiersdorf fort. Dort war sie in verschiedenen globalen, regionalen und lokalen Rollen im Marketing und Business Development in Hamburg, Birmingham und Kopenhagen tätig. Heute lebt Corina mit ihrer Familie in Hamburg und engagiert sich leidenschaftlich für ihre Herzensthemen Transformational Leadership, Nachhaltigkeit und Innovation.

Mission Female GmbH

Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.

https://www.missionfemale.com/ 

„Ich lege den Schalter für die Energiewende um“

Durch die gläserne Decke

Warum ich eine Bedienungsanleitung für mich selbst habe

Fotomaterial© Picture People

STAY CONNECTED