StartInnovation„So einfach wie eine Kaffeekapsel“

„So einfach wie eine Kaffeekapsel“

LIVIN Farms verwandelt durch die Zucht von Larven der Schwarzen Soldatenfliege organische Reststoffe in nachhaltige Futtermittel. Im Interview erklärt Gründerin Katharina Unger ihr innovatives Projekt „Modular skalierbare Zero Waste Protein Factory“.

Ihr Unternehmen wurde letztes Jahr für den Staatspreis Innovation nominiert. Können Sie uns – für Laien verständlich – die neuartige Idee beschreiben, die zu dieser Nominierung geführt hat?

Unsere Idee dreht sich um die nachhaltige Nutzung von Insekten, um organische Reststoffe in wertvolle, am Markt stark nachgefragte Produkte zu verwandeln. Das klingt ungewöhnlich, ist aber ganz einfach: Wir nutzen Larven der Schwarzen Soldatenfliege (BSFL), die Lebensmittelreste oder Nebenprodukte aus der Landwirtschaft fressen. Diese Larven sind besonders proteinreich und aus ihnen lassen sich hochwertiges Protein und Öl gewinnen. Ihre Schalen und Exkremente wiederum dienen als zertifizierter, natürlicher Dünger. So entstehen wertvolle Ressourcen wie Tierfuttermittel, die herkömmliche Produkte wie Fischmehl ersetzen können.

Unsere Innovation liegt in der Entwicklung modularer technischer Anlagen, die diesen Produktionsprozess automatisiert, skalierbar und industriell nutzbar machen. Damit ermöglichen wir Unternehmen weltweit, mit unserer Technologie ihre eigenen Insektenverarbeitungsanlagen zu betreiben, effizient, sicher und nachhaltig. Kurz gesagt: Wir helfen dabei, organische Reststoffe in wertvolle Produkte zu verwandeln – zusammen mit Insekten und moderner Technologie.

Katharina Unger
Tray Handler
Seedlings(TM) pouch

Die Zero Waste Protein Factory wird auch als „Kapselsystem der Insekten“ bezeichnet. Woher kommt dieser Spitzname?

Der Vergleich mit dem „Kapselsystem der Insekten“ kommt daher, dass es ein modulares, einfach zu bedienendes System ist, ähnlich wie eine Kapsel-Maschine, nur eben für die Produktion von Insektenprotein. Unsere Technologie besteht aus standardisierten Modulen für Mast, Fütterung und Verarbeitung der Larven, die sich je nach Bedarf flexibel kombinieren und skalieren lassen. Dadurch wird aus einem komplexen biologisch-technologischen Prozess ein kontrollierbares, sauberes und automatisiertes System, das sich leicht in bestehende Betriebe integrieren lässt.

Dazu kommt unser Seedlings-Abo-System: Wir liefern regelmäßig frische, junge Larven, sogenannte „Seedlings“, an unsere Kundinnen und Kunden. Diese müssen sich dadurch nicht selbst um die aufwändige Zucht kümmern, sondern können sofort mit der Verwertung ihrer Reststoffe starten. Das macht den Betrieb unserer Anlagen so einfach wie das Einsetzen einer Kaffeekapsel, nur dass am Ende kein Kaffee, sondern nachhaltiges Protein, Öl und Dünger entstehen. Wir machen also Kreislaufwirtschaft so zugänglich und einfach wie möglich.

Larven in der Hand

Wie sind Sie zur Schwarzen Soldatenfliege gekommen? Welcher persönliche Werdegang hat zu Ihrer Unternehmungsgründung geführt?

Die Idee ist aus einem ganz persönlichen Moment entstanden. Nach meinem Studium habe ich in Hongkong gearbeitet. Dort auf den Märkten gab es eine unglaubliche Vielfalt an Lebensmittelprodukten, unter anderem auch Fische. Gleichzeitig, wenn man dort Tauchen war, hat man schnell gemerkt, dass das Meer leer ist und die Artenvielfalt durch Überfischung erschreckend gering war. Zusätzlich habe ich gesehen, wie viele wertvolle Ressourcen wir eigentlich schon haben, zum Beispiel organische Reststoffe, die man in etwas Nützliches verwandeln könnte. Deshalb habe ich begonnen, mich mit Insekten als alternative Proteinquelle zu Fischmehl zu beschäftigen.

Diese Faszination hat schließlich zur Gründung von LIVIN Farms geführt. Wir wollten zeigen, dass Insekten nicht nur eine alternative Proteinquelle sind, sondern ein Schlüssel zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem. Gestartet haben wir mit dem Mehlwurm und der Entwicklung des Hive Explorers, eines Küchengeräts für den Heimgebrauch, das organische Haushaltsreste mithilfe von Mehlwürmern verwertet. Dann haben erforscht, wie man diesen Prozess auf industrielle Großanlagen übertragen kann. Die Schwarze Soldatenfliegenlarve (BSFL) hat sich dabei als besonders geeignet herausgestellt: Sie wächst schnell, braucht wenig Ressourcen und kann verschiedenste organische Materialien verwerten.

Wie sehen Sie die Zukunft der Insektenzucht und -verwertung? Welche Chancen und Herausforderungen kommen da auf uns zu?

Ich glaube, die Zukunft ist extrem spannend und voller Chancen. Weltweit steigt die Nachfrage nach Proteinen, sowohl für die menschliche Ernährung als auch als Futtermittel. Gleichzeitig entstehen so viele organische Reststoffe wie nie zuvor. Hinzu kommen häufigere Umweltherausforderungen, die das Proteinangebot beeinflussen und zu Unsicherheiten in der Versorgungssicherheit führen. Genau hier bieten Insekten eine nachhaltige Lösung, sie verwandeln organische Reststoffe in hochwertiges Protein, Öl und Dünger, benötigen nur wenig Wasser und Indoorfläche und ermöglichen regionale Kreisläufe. Dadurch können wir die Versorgungssicherheit erhöhen, sogar in Städten, wie unsere Demonstrationsanlage in Wien-Simmering zeigt.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen: Regulierung, gesellschaftliche Akzeptanz und industrielle Skalierung müssen gemeistert werden. Aber ich bin überzeugt davon, dass Innovation, Technik und das wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeit diese Hürden überwindbar machen. Kurz gesagt: Insekten können Teil einer sicheren, nachhaltigen und zukunftsfähigen Proteinversorgung sein – und eine Chance, Ernährung, Wirtschaft und Umwelt positiv zu transformieren.

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