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Mit Schwert, Charme und Weinstock

Seit 2014 leiten Kerstin und Sigrid Schwertführer am Familienstandort in Sooß in Niederösterreich als „Die Schwertführerinnen“ ihr eigenes Weingut. Wie sie im Traditionsbetrieb innovativ bleiben und warum es der Meetingkultur guttut, dass die eigene Oma immer noch kocht.

Kerstin Schwertführer war mit 20 Jahren die jüngste Kellermeisterin Österreichs. 2014, also zwei Jahre nach ihrem Schulabschluss, gründete sie gemeinsam mit ihrer Schwester Sigrid am elterlichen Betrieb das Weingut „Die Schwertführerinnen“. Heute sind die beiden 30 und 27 Jahre alt, aber auf dem Gebiet des Weinbaus bereits alte Hasen.

Neues Weingut, neue Stilistik

Willensstark, jung und weiblich, so beschreiben sich Kerstin und Sigrid Schwertführer selbst. Das spiegelt sich auch in ihrer Herangehensweise im Weingut wider. Statt einfach nur den elterlichen Betrieb fortzuführen, der seit 1898 seinen Sitz in Sooß hat, gründete das Schwesternpaar sein eigenes Weingut, um sich handwerklich auszutoben: „Unsere Weinstilistik unterscheidet sich stark von den Weinen unseres Vaters“, sagt Kerstin Schwertführer. „Wir experimentieren gerne mit langer Lagerung auf der Hefe oder auf der Maische. Das gibt den Weinen Kraft und Struktur.“ Wer das Zarte, Delikate mag, geht also zum Papa. Wer ein wenig Wumms im Wein will, kauft bei den Töchtern. Gut, dass alle Weine im gleichen Verkaufsraum angeboten werden, so lassen sich auch sortengleiche Weine wie der Veltliner oder Rotgipfler mit unterschiedlicher Stilistik miteinander vergleichen.

Kerstin Schwertführer war die jüngste Kellermeisterin Österreichs. Foto: Schwertführer
Kerstin Schwertführer war die jüngste Kellermeisterin Österreichs. Foto: Schwertführer

Flexibilität ist Trumpf

Gab es vor wenigen Jahren beim Weinheurigen hauptsächlich Traubensaft als antialkoholisches Getränk, wartet man bei den Schwertführerinnen heute mit Neuem auf. Alkoholfreier Frizzante, Cocktails mit Verjus – auf werdende Mütter, Autofahrer:innen und Menschen, die generell keinen oder wenig Alkohol trinken, wird heute mehr eingegangen: „Was sich seit unserer Elterngeneration geändert hat, ist die gestiegene Flexibilität. Heute musst du viel schneller auf Neuerungen reagieren“, sagt Sigrid Schwertführer, die im Weingut für Marketing, den Heurigen und alles Kreative zuständig ist. Die Flexibilität liegt ihr dabei im Blut: Sigrid Schwertführer hat Zöliakie, verträgt keine Gluten. Das bedarf im täglichen Leben viel Kreativität, um Gesundheit, aber auch Genuss zu gewährleisten. In Herausforderungen einen Anreiz zu neuem Denken zu finden – dieses Mindset helfe, auch in einem Traditionsbetrieb nicht betriebsblind zu werden.

Nachhaltigkeit im Weinbau

Gerade lassen sich die Schwertführerinnen zertifizieren – die Nachhaltigkeit am Weingut soll damit bestätigt werden. Schwer war das für die Winzerinnen nicht: „Schon mein Großvater hat nachhaltig gewirtschaftet. Seit den 70er-Jahren gibt es eine Flaschenwaschanlage und ein Pfandsystem. Heute haben wir auch Photovoltaikanlagen und Stromspeicher. Der Plan ist, irgendwann komplett autark zu sein“, beschreibt Kerstin Schwertführer die Schritte zur Nachhaltigkeitszertifizierung. Sie selbst hat einen Kurs in biologischem Weinbau besucht: „Ich wollte mehr über den Umgang mit der Natur lernen. Oft werden Dinge in wenigen Sekunden zerstört, ohne nachzudenken. Wenn einmal wo der Bagger drüber fährt, dann wars das dort für die Natur. Wir wollen, dass es auch anders geht.“ Die Schwestern planen, in Zukunft auch biologische Weine anzubieten. Mit Weingartenbegrünungen und dem Pflanzen sogenannter PIWI-Weinsorten (PIWI steht für pilzwiderstandsfähig) sind die ersten Hürden bereits genommen. Aber der Weg zum Bio-Wein ist ein langer und anstrengender, denn er ist arbeitsaufwendig und verlangt den Winzerinnen (noch) mehr Zeit im Weingarten ab.

Haben im Weingarten noch viel vor: Sigrid und Kerstin Schwertführer. Foto: Schwertführer
Haben im Weingarten noch viel vor: Sigrid und Kerstin Schwertführer. Foto: Schwertführer

Am Gartenzaun ist noch nicht Schluss

Nicht nur in der Nachhaltigkeit, auch im Weinbau herrscht immer Bedarf an neuen Inspirationen. Dazu schauen die Schwertführerinnen auch gerne über den eigenen Weingartenzaun hinweg und besuchen andere Betriebe, Fachvorträge und Weiterbildungen. Aber bei allem Innovationsgeist braucht es auch Konstanten. Jeden Tag isst die ganze Familie miteinander, die Köchin ist seit jeher die Großmutter der Schwertführerinnen. „Das ist auch unser Teammeeting, da wird alles besprochen. Bei uns kommen sehr unterschiedliche Charaktere zusammen, nicht immer sind wir einer Meinung. Da ist es gut, dass wir alles offen ansprechen können“, sagt Sigrid Schwertführer. Bei einer 80-Stunden-Woche will schließlich niemand schwelende Konflikte verschleppen.

Regionale Spezialitäten

90 Prozent – so viel macht bei den Schwertführerinnen der Direktverkauf an Privatkund:innen ab Hof aus. Nur ein kleiner Teil geht an die Gastronomie. Dass es so gut läuft, liegt an mehreren Besonderheiten. Sooß liegt unmittelbar vor den Toren Wiens, nach einer kurzen Autofahrt steht man im Verkaufsraum der Winzerinnen. Außerdem zeichnet sich die Thermenregion, zu der auch die Weingärten der Schwertführerinnen zählen, durch eine besondere Bodenbeschaffenheit aus: „Wir finden hier extrem viel Muschelkalk vor“, erklärt Kellermeisterin Kerstin Schwertführer. „Kalk rundet die Säure im Wein ab und bringt das Runde, Harmonische in den Vordergrund.“ Das sei etwa beim Rotgipfler oder Zierfandler besonders ausgeprägt, die zu den regionstypischen Weinspezialitäten aus der Thermenregion gehören. Soll sich eigentlich am Weingut noch etwas ändern, wenn es doch eh gut läuft? „Da finden wir schon etwas“, sagt Sigrid Schwertführer. „Wir bauen gerne um, denken Dinge neu oder stellen sie auf den Kopf. 2024 wird einige Umbrüche bringen. Schauen wir mal, was alles passiert.“


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Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie über Winzerinnen und ihre Weingüter. Hier geht es zu weiteren Artikeln:

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