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„Männer, überlegt euch bitte selbst, was es bedeutet ein feministischer Mann zu sein“

In ihrem Podcast „Frauenfragen“ befragt Mari Lang prominente Männer auf unterhaltsame Art und Weise über ihr Aussehen, sowie über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Fragen, die typischerweise nur Frauen gestellt werden. Nach zwei Staffeln und 20 Gästen zieht Mari Lang im Interview mit SHEconomy Bilanz.

Nachdem die ORF-Sportmoderatorin Mari Lang zu Beginn der Corona-Krise von ihrem Chef mit den Worten „Jetzt hast du mehr Zeit für deine Kinder“ in Kurzarbeit geschickt worden war, kam ihr die Idee zu dem Podcast „Frauenfragen“. Aussagen wie jene werden typischerweise nämlich nur Frauen und nicht Männern gegenüber geäußert. Heute ist der Podcast rund ein halbes Jahr alt, umfasst zwei Staffeln und wurde mit dem Ö3-Podcast-Award als bester feministischer Podcast ausgezeichnet. Mit ihrem Podcast will Mari Lang die Themen Gleichberechtigung und Feminismus in den Mainstream holen, sodass sich nicht nur „der Tim aus Neubau“, sondern auch „der Herbert aus Favoriten“ damit auseinandersetzt.

Was haben Sie in zwei Staffeln „Frauenfragen“ über Gender Equality gelernt?

Dass wirklich noch viel zu tun ist. Aber man muss auch mal anerkennen, was Feministinnen vor uns schon alles erreicht haben. Vor rund 45 Jahren mussten Frauen noch per Gesetz ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten, wenn sie arbeiten wollten. Oder Vergewaltigung in der Ehe war bis 1989 nicht strafbar. Da ist also echt einiges weitergegangen. Gleichzeitig dürfen wir uns darauf nicht ausruhen, und es gibt immer noch viel zu viele Ungerechtigkeiten. Es kann doch nicht sein, dass Frauen weniger verdienen als Männer, dass frauendominierte Branchen generell so schlecht bezahlt werden, und es kann nicht sein, dass Frauen, die Karriere machen, zusätzlich den Großteil der Hausarbeit erledigen müssen. Da gibt es von Seiten der Politik noch viel zu tun, und auch wir Frauen müssen Männer mehr in die Pflicht nehmen.

Sie bekennen sich im Podcast immer wieder dazu, Feministin zu sein und fragen auch oft Ihre Gäste, ob sie Feministen sind. Wer ist denn nun tatsächlich Feminist?

Naja, im Grunde jeder, der nach den Grundprinzipien des Feminismus lebt, und zwar, dass niemand aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden soll. Aber generell habe ich das Gefühl, dass wir viel zu viel Zeit mit Begriffsdefinitionen verbringen. Viele denken, man muss Aktivist sein, um sich als Feminist bezeichnen zu dürfen oder sich in der Thematik intellektuell besonders gut auskennen. Dirk Stermann etwa zögerte deshalb, obwohl er in der Art, wie er sein Leben lebt durchaus als Feminist bezeichnet werden kann. Und auch Andreas Goldberger lebt sehr feministisch, auch wenn er diese Definition für sich nicht unbedingt in Anspruch nimmt.

Wie können Männer gute Male Allies sein?

Indem sie sich in Bezug auf die Gleichstellung nicht nur die Rosinen herauspicken. Als Mann wird man ja durchaus beklatscht, wenn man sich als Feminist bezeichnet und bekommt eine Bühne geboten. Nicht falsch verstehen, es ist schon ok, wenn Männer ihre Stimme öffentlich nutzen, um sich für Gleichberechtigung einzusetzen. Aber viel wichtiger wäre es, dass sie sich in die Familien- und Care-Arbeit mehr einbringen und im Alltag aktiver werden, damit Frauen überhaupt die nötige Zeit und Energie finden, sich lautstark für ihre Interessen einsetzen zu können.

Außerdem finde ich, dass die Gleichberechtigungs-Debatte zu stark auf die Frau fokussiert ist. Männer sind gefordert neue Definitionen von Männlichkeit zu schaffen und sich eigene feministische Rollenbilder zu kreieren. Sie müssen anfangen mehr Verantwortung zu übernehmen und nicht darauf warten, dass Frauen ihnen sagen, was sie tun sollen, damit es passt. Also Männer, fangt bitte an selbst darüber nachzudenken, was es bedeutet ein feministischer Mann zu sein!

Was hat Sie im Laufe der 20 Gespräche am meisten überrascht?

Dass es Männer gibt, die noch nie darüber nachgedacht haben, dass Frauen vielleicht ein Problem damit haben, auf die Mutterrolle reduziert zu werden und auch mehr vom Leben haben wollen. Dass es manchen Männern offenbar noch nicht aufgefallen ist, dass Frauen in der Gesellschaft in vielen Bereichen anders behandelt werden als Männer und nicht die gleichen Chancen haben. Ich dachte schon, dass man das mitbekommt, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht.

Spannend finde ich auch, dass Männer die Reduktion auf das Äußere gar nicht als unangenehm empfinden. Wahrscheinlich, weil sie es in ihrem Alltag einfach nicht gewohnt sind und sie in der Gesellschaft ihren fixen Platz haben – als CEO, als Präsident eines Landes oder als Fußball-Kommentator – der niemals aufgrund ihres Geschlechts in Frage gestellt werden würde. Deshalb finden sie es dann lustig und erfrischend, wenn ihnen plötzlich solche banalen Fragen gestellt werden. Das Problem liegt nicht darin, dass über Äußerlichkeiten gesprochen wird. Es geht vielmehr darum, dass nur mit Frauen darüber gesprochen wird.

Sie diskutieren in Ihrem Podcast auch gerne mit Ihren Gästen. Mit wem hatten Sie die interessanteste Diskussion oder wo gab es vielleicht Überraschungen?

Interessant war es mit jedem meiner Interviewpartner. Spannend fand ich, dass die Gespräche in mancher Hinsicht doch recht unterschiedlich waren. Mit Matthias Strolz habe ich zum Beispiel über das Frausein und Sexualität gesprochen, mit Richard Lugner über Elefantenbullen im Zoo und was man sich von ihnen in Bezug auf gleichberechtigte Elternschaft abschauen kann. Bei Robert Kratky, der sich bisher ja immer eher als Macho präsentiert hat, war ich mir am Ende gar nicht mehr sicher, ob er das wirklich ist. Bei einigen – sicher nicht bei allen – hatte ich das Gefühl, dass sie wirklich angefangen haben über Ungleichbehandlungen zwischen den Geschlechtern nachzudenken, und ich hoffe, dass sie das auch in Zukunft noch weiter tun werden.

Wer hat sich bisher noch nicht in Ihren Podcast getraut?

Formuliert hat es so noch niemand, weil, um ein Klischee zu bedienen, Männer ja prinzipiell keine Angst haben. Vor allem Männer aus der Wirtschaft, die privat nicht in der Öffentlichkeit stehen, wollen in meinem Podcast nicht über Themen wie die Vereinbarkeit ihrer Karriere mit der Familie sprechen. Das ist vielen zu persönlich. Außerdem habe ich Andreas Gabalier schon tausend Mal angefragt, aber ich kriege ihn einfach nicht. Noch nicht.

Außer Andreas Gabalier also: Gibt es sonst noch jemanden, den Sie unbedingt in Ihrem Podcast interviewen möchten?

Meine bisherigen Gäste kommen ja alle aus privilegierten Lebenssituationen. Sie haben keine ernsthaften finanziellen  Probleme, sind gebildet und leben wahrscheinlich sehr selbstbestimmt. Für die dritte Staffel fände ich eine Mischung aus prominenten Männern und Männern aus der Mitte der Gesellschaft spannend. Denn jemand, der vielleicht gerade mal so über die Runden kommt, sieht in Bezug auf die Gleichberechtigung vieles vielleicht nochmal anders. Vor allem, weil er viel stärker von politischen Strukturen abhängig ist. Ich bin gespannt, ob ich auch solche Männer vors Mikro bekomme.

Im Herbst 2021 erscheint das Buch zu Mari Langs Podcast, in dem Lang einen Großteil der „Frauenfragen“-Gespräche noch einmal aufrollt, kommentiert und ihre persönliche Perspektive darlegt. Hören Sie den Podcast hier auf sheconomy.media.

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