Der Rechtsbereich steht vor der Herausforderung sich den neuen Technologien anzupassen. Legal Tech Startups auf der ganzen Welt verändern die Branche maßgeblich.
Es war ein System, das sich lange Zeit bewährt hat. Jungjurist*innen lesen hunderte Seiten lange Verträge, filtern die Kernpunkte heraus und geben das Ergebnis ihrer Arbeit an erfahrene Partner*innen weiter, die im Anschluss die komplexen juristischen Fragen bearbeiten. Angesichts des technologischen Fortschritts wirkt dieser Vorgang mittlerweile aus der Zeit gefallen. Spätestens seitdem in den letzten Jahren immer mehr Legal Tech Startups aus dem Boden schießen, deren Lösungen die Fleißarbeit der Jungjurist*innen teilweise ersetzen, stellt sich die Frage: wie lange bleibt dieses System noch bestehen?
Rechtsbranche setzt sich mit Diversity und Legal Tech auseinander
Der Rechtsbranche wandelt sich. Nicht nur die Themen Leadership und Diversity beschäftigen die Anwaltskanzleien in Deutschland und Österreich, auch Legal Tech fordert das bestehende System heraus: Laut Einschätzungen der Bucerius Law School und der Boston Consulting Group könnten „Computerprogramme […] künftig 30 bis 50 Prozent der Aufgaben von Junior-Anwälten übernehmen – dadurch sind immer mehr Anwaltsjobs gefährdet.“
Legal Tech Startups, wie das deutsche LEX AI, widersprechen dieser These. „Wir wollen Anwälte und Rechtsexperten durch die AI [Anm.: Artificial Intelligence/Künstliche Intelligenz] nicht ersetzen oder ihnen Entscheidungen abnehmen. Wir wollen sie effizienter und schneller machen“, so die LEX AI-Geschäftsführerin Susann Funke. Das Startup will mit seiner Technologie komplexe Regulierungen übersichtlich darstellen und Unternehmen zur Verfügung stellen. „Alleine auf EU-Ebene werden jedes Jahr circa 2000 neue Rechtsakte in Kraft gesetzt und circa 600 ersetzt und damit wieder aus dem Regulierungsuniversum entfernt“, sagt der Co-Founder Maik Neubauer. Für Unternehmen und Kanzleien sei es zeitaufwendig und kostspielig, stets den Überblick zu bewahren, deshalb könne hier KI-Software künftig zum Einsatz kommen.
Legal Tech Markt wächst
Anwaltskanzleien müssen nach Ansicht der Bucerius Law School auf den Wandel der Rechtsbranche reagieren, indem sie ihr Geschäftsmodell reformieren und den Workflow so neukonzipieren, „dass es überhaupt zu einem Anwendungsfeld für KI kommen kann.“ KI sei nach wie vor nur ein Hilfsmittel für Jurist*innen. Startups wie Flightright oder Euclaim setzen Algorithmen als erste Anlaufstelle für Verbraucher*innen ein, die schnell wissen wollen, ob ihre Beschwerde gegen eine Fluggesellschaf Erfolgsaussichten hat oder nicht. Erst wenn die Software grünes Licht gibt werden die Anwält*innen auf Wunsch der Klient*innen tätig.
Deutschland und Österreich hinken den USA und Großbritannien im Bereich Legal Tech derzeit noch weit hinterher. In den USA setzt Google etwa schon seit 2009 auf Legal Tech Innovationen. Im Jahr 2021 ging bisher bereits eine Milliarde US-Dollar an Risikokapital an Legal Tech Startups. Nach 989 Millionen US-Dollar in 2019 und 510 Millionen im Krisenjahr 2020 ist das ein gewaltiger Sprung nach oben.