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Leadership auf Knopfdruck

Winzerin und Mutter Silke Mayr führt im Kremstal zwei Weingüter. Wie sich das ausgeht und warum raue See am Weingut dem eigenen Wachstum und den Leadership-Skills Beine machen.

„Das war ein riesiges Erdbeben. Anfangs war mir nicht klar, wie sich das alles ausgehen soll.“ Silke Mayr ist Winzerin. Aus Dross in Niederösterreich und aus Leidenschaft. Gemeinsam mit Ihrem Lebens- und Geschäftspartner Walter Buchegger führt sie bis 2018 zwei Weingüter. Den Weinkeller teilte man sich.

Als Walter Buchegger 2018 verstarb, stand die Winzerin plötzlich mit zwei Weingütern da. Zum persönlichen Verlust gesellte sich die drängende Frage, ob und wie das Weingut ihres Lebensgefährten weitergeführt werden sollte. Mayrs Betrieb war bis dahin sehr familiär und klein strukturiert: „Plötzlich war ich mit viel mehr Mitarbeitern konfrontiert, musste mich komplett neu sortieren.“ Da beide Weingüter ein starkes Standing und einen soliden Markennamen hatten, beschloss Mayr, beide Weingüter mit einem Team um Kellermeister Michael Nastl unter dem Dach Vorspannhof Dross weiterzuführen.

Grenzen austesten

Leadership zu erlernen sei immer noch die größte Herausforderung, sagt Mayr. Früher ist die Winzerin immer in der zweiten Reihe gestanden, hat sich dort auch wohlgefühlt. Erst leitete der Vater den Betrieb, danach vertrat ihr Lebensgefährte die Weingüter nach außen. Plötzlich alleinige Führungskraft zweier Weingüter zu sein, daneben auch noch Mutter, hätte sie an ihre Grenzen gebracht, sagt Mayr. Heute dreht sie an vielen Schrauben, um sich selbst weiterzuentwickeln und persönlich zu wachsen. Nur so könne sie auch als Führungskraft reifen, ist sie überzeugt. Die Krise hat Mayr gelehrt, mit Ängsten anders umzugehen: „Ich war früher ein sehr ängstlicher Mensch. Heute denke ich mir – was soll mir jetzt noch passieren? Ich kann mit Ängsten besser umgehen und bin im Vertrauen, dass ich immer die richtigen Leute treffe, die mir in schwierigen Situationen weiterhelfen.“

Leadership ist um keinen Deut einfacher als Weinmachen, weiß Silke Mayr vom Weingut Vorspannhof in Dross. Foto: Robert Herbst
Leadership ist um keinen Deut einfacher als Weinmachen, weiß Silke Mayr vom Weingut Vorspannhof in Dross. Foto: Robert Herbst

Von Kentern und Gelassenheit

Im Leben sei es wie mit dem Weinmachen sagt die Winzerin: „Man muss langsamer gehen, nicht durchs Leben rennen. Damit man auch kleine Einzelheiten genießen und schätzen kann. Und dazu man muss auch gut mit sich selbst und seinem Umfeld umgehen.“ Damit das gelingt, gibt Mayr ihren Mitarbeiter:innen viel Freiheiten und freut sich im Gegenzug über deren Loyalität und aktives Einbringen in den Betrieb. Nach dem Tod ihres Lebensgefährten hat Mayr überlegt, jemanden für den Verkauf einzustellen, um nicht überall eingespannt zu sein.

Aber – Wein ist ein emotionales Produkt, dessen Verkauf stark persönlichkeitsgetrieben ist: „Unsere Weine haben Charakter, sind mit uns gewachsen und gereift. Wir gehen sehr behutsam mit unseren Marken um. Da kann ich nicht einfach irgendjemand hinstellen, der keinen Bezug zum Produkt hat. Auch wenn das heißt, dass noch ein Task bei ihr liegt. Ab und zu fühle sie sich zwischen Verkauf, Export, Absprachen mit dem Kellermeister und Aufsicht im Weingarten wie die Kapitänin eines großen Schiffes: „Manchmal ist es ruhiger, manchmal ist raue See. Ich übe mich in Gelassenheit.“

„Manchmal ist es ruhig, manchmal ist raue See. Ich übe mich in Gelassenheit.“

Mineralik im Doppler

Mayrs Weine wachsen im nördlichen Kremstal, dessen Klima und Boden für eine besondere Mineralik sorgen. Die Vielfalt, die die Winzerin anbietet, tut ihr übriges – vom pfeffrigen Grünen Veltliner bis zum Riesling Reserve – feine Säurestruktur und facettenreicher, mineralischer Touch machen ihre Weine bis über die Landesgrenzen beliebt. Selbst Literatur spiegelt sich in Mayrs Weinen wider: Für den  Titel des neuen Romans von Thomas Oláh „Doppler“ stand die österreichische Doppelliterflasche Modell.

Das Wiederum hat Mayr bewogen, ihren „Topler“ in ähnlichem Design zu gestalten und zum Verkauf anzubieten. Das Wortspiel ist entstanden, nachdem Mayr das neue Buch über Umwege in Händen hielt und bemerkte, dass der Autor bereits ihr langjähriger Kunde ist. So gab es auch zum ersten Mal anlässlich der Tour de Vin eine Autorenlesung am Vorspannhof Dross.

Wo die Familie zum Team wird: Viele helfende Hände am Vorspannhof. Foto: Klaus Vyhnalek
Wo die Familie zum Team wird: Viele helfende Hände am Vorspannhof. Foto: Klaus Vyhnalek

Kein Betrieb ohne Familie

Die Liebe zum Wein wurde Silke Mayr in die Wiege gelegt. Die Übernahme des elterlichen Hofes kann als Blaupause vieler Familienbetriebe gesehen werden. Mayr wusste, wie viel Herzblut, Energie und Arbeit ihrer Vorfahren über Generationen hinweg im Weingut steckten, fühlte sich dem Weinbau verbunden. Der Vorspannhof war seit dem 15. Jahrhundert Teil des Schlosses Dross war. Hier wurden die Pferde vorgespannt und Besucher:innen verköstigt. Erst Mayrs Urgroßvater kaufte den Hof im Jahr 1898.

Silke Mayr wollte ihr Erbe ehren, spürte gleichzeitig aber auch eine starke Verpflichtung, als ihr Vater früh erkrankte und Ihr Einstieg ins Unternehmen als 20-Jährige notwendig wurde. Heute weiß sie, dass sie aufgrund ihres Pflichtbewusstseins wohl viel verpasst hat. Durch den frühen Start im Familienunternehmen hatte sie nie die Gelegenheit, auch einmal langfristig in andere Unternehmen hineinzuschnuppern.

Das sei wahnsinnig wichtig, um auch eine Außensicht auf den eigenen Familienbetrieb zu bekommen, weiß sie heute: „Kriegt man das nicht, wenn man jung und in Ausbildung ist, muss man sich das nachher mühsam erarbeiten“, sagt Mayr. Ob sie sich wünscht, dass ihre Kinder einmal den Hof übernehmen? Ja, sagt sie. Aber nur, wenn diese das auch wirklich wollen. Zu sehen, dass nach 135 Jahren das Weingut nicht mehr in Familienhand ist, wäre traurig, aber Mayr vertraut darauf, dass der Hof weiter bestehen bleibt. „Sollten ihn die Kinder nehmen und mit Freude weiterentwickeln, wäre das ein Geschenk“, sagt die Winzerin. Denn ein Familienbetrieb sei die größte Herausforderung, die es gibt und kann bei Bedarf auch innovativ durch Dritte im Sinne der Familie geführt werden

Details zu den beiden Weingütern von Silke Mayr: www.vorspannhof.at


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Teil zwei der Winzerinnen-Serie:

„Schuld war das Pionier-Gen“

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