Wenn Louisa Frühauf vor der 8b steht, dann bringt sie ihrer Klasse weder Algebra-Formeln noch die Photosynthese bei, sondern, wie man klug mit Geld umgeht. Sie eröffnet mit den
Schüler*innen imaginäre Konten, vergleicht Versicherungen und rechnet vor, welche Wucht der Zinseszins nach zwanzig Jahren entfaltet. Sie nimmt sich damit einem Thema an, das laut Wirtschaftsverbänden und Verbraucherschutzorganisationen an deutschen und österreichischen Schulen immer noch nicht genügend Beachtung findet: der Finanzbildung.
Im Interview erklärt die Lehrerin und Autorin, warum der richtige Umgang mit Geld die Chancengleichheit erhöht und wie sie es schafft, ihre Schüler*innen für Steuern und Bilanzen zu begeistern.
Wir leben in einer Welt, in der wirtschaftliche Zusam menhänge immer komplexer werden, die Verschuldung junger Menschen stetig ansteigt und man sich bei der Altersvorsorge nicht mehr nur auf den Staat verlassen kann. Warum ist die Finanzbildung immer noch kein Pflichtfach an den Schulen?
Die Politik hat durchaus erkannt, wie wichtig es ist, jungen Menschen einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld beizubringen. Darum haben das Finanz- und das Bildungsministerium gemeinsam die Initiative „Finanzielle Bildung“ ins Leben gerufen, die unter anderem Forschungsprojekte unterstützt und Workshops an Schulen veranstaltet. Ähnliche Initiativen gibt es auch in Österreich. Allerdings ist das Schulsystem in Deutschlandföderal organisiert. Jedes Bundesland entscheidet eigenständig über die Lehrpläne. In einigen Ländern ist Finanzbildung bereits Teil des Wirtschaftsunterrichts, in anderen findet sie kaum statt. Was fehlt, ist ein systematischer Ansatz – auch, was die Unterstützung der Lehrkräfte betrifft.
Wie meinen Sie das?
Finanzthemen sind schwierig zu vermitteln, weil es kaum geeignete Unterrichtsmaterialen
gibt. Viele Lehrer*innen müssen sie sich mühsam im Internet zusammensuchen. Das möchte ich ändern. Meine Schulbücher „Fit in Finanzen“ und „Güter, Markt und Preise
einfach und lebendig erklärt“ (Anm. d. Red.: Auer Verlag), liefern konkrete Tipps, wie
man das Thema lebensnah und anschaulich unterrichtet. Zudem forsche ich im Rahmen
meiner Doktorarbeit an Fortbildungskonzepten für Lehrkräfte.
Müsste man nicht auch die Eltern viel stärker in die Pflicht nehmen?
Im Idealfall bekommen junge Menschen einen kompetenten Umgang mit Geld zuhause vor
gelebt. Aber nicht alle Eltern verfügen über das notwendige Wissen. Die Schule hat darum eine besondere Verantwortung. Finanzielle Bildung ist ein Schlüssel zu mehr Chancengerechtigkeit. Sie muss für alle zugänglich sein – unabhängig von sozialem Hinter
grund und vom Geschlecht.
Wann sollte Finanzbildung in der Schule beginnen?
Je früher, desto besser. Sobald sich Kinder mit ihrem Taschengeld ein Eis am Kiosk
kaufen, fällen sie Konsumentscheidungen und sind aktiv an der Finanzwelt beteiligt. Viele
junge Menschen beenden die Schule nach der 10. Klasse, um eine Ausbildung zu machen, und verdienen ihr erstes eigenes Geld. Spätestens dann müssen sie wissen, wie man die eigenen Finanzen strukturiert, Haushaltsbücher führt und Schulden vermeidet.
Steuern, Bilanzen und Deflation sind Begriffe, die selbst viele Erwachsene überfordern oder langweilen. Wie begeistert man Kinder für diese Themen?
Träume und Wünsche sind die beste Motivation. Ich lasse meine Schüler:innen zum Beispiel Vision Boards erstellen. Dabei visualisieren sie ihre Lebensziele – ein eigenes Haus, Reisen an ferne Orte oder eine große Familie. Im Anschluss beschäftigen wir uns dann mit der Frage, welche finan ziellen Entscheidungen sie treffen müssen, um sich diese Wünsche zu erfüllen. Und: Ich nutze im Unterricht Tools und Medien, die meine Schüler:innen auch privat konsumieren.
Was heißt das konkret?
Ich lasse sie zum Beispiel ein TikTok-Video drehen oder einen Instagram-Post schreiben. Sie schlüpfen dabei in die Rolle eines Influencers und erklären sich gegenseitig den Unterschied zwischen guten und schlechten Schulden. Je näher der Stoff an der eigenen Lebensrealität ist, desto leichter fällt es jungen Menschen, einen Zugang zu diesen Themen zu finden.
Sprechen Sie im Unterricht auch über Geldanlagen wie Aktien und ETFs?
Ja, aber immer neutral und faktenbasiert. Ich gebe keine Anlagetipps, sondern stelle verschiedene Möglichkeiten vor, wie man sein Geld vermehren kann. Die Lernen den setzen sich mit Vor- und Nachteilen auseinander und können so ein erstes eigenes Urteil fällen. Ein anschauliches Beispiel ist der Zinseszins-Effekt: Ich zeige anhand eines Rechners, welchen Unterschied es macht, frühzeitig mit dem Investieren zu beginnen. Das ist für viele ein absolutes Aha-Erlebnis.