Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung“ – dieser weise Satz von Heraklit trifft auch auf die Hoteliers Familie Ultsch zu, die zu fünft insgesamt 250 Mitarbeitende steuern. Neben dem traditionellen Hotel Schwarzer Adler und dem Adlers Lifestyle Hotel in Innsbruck gehören 13 harry’s home hotels & apartments in Österreich, Deutschland und in der Schweiz zum Tiroler Familienunternehmen. Das Erfolgsrezept des Ultsch-Family-Business ist geprägt von Zusammenhalt, einer Handschlag-Mentalität, auch gegenüber den Mitarbeiter*innen, und einer klaren Aufgabenverteilung innerhalb der Familie.
Für unser Gespräch sitzen wir im Restaurant „Weitsicht“ im 12. Stock des Adlers Lifestyle-Hotels in Innsbruck mit herrlichem Blick über die Alpenstadt. Energiebündel Sonja Ultsch, die auch Mitglied der Fünf-Sterne-Kommission des Fachverbandes Hotellerie ist, und ihre besonnene Tochter Valentina bilden den weiblichen Part der Family Company – Harald Ultsch und die Söhne Florian und Fabian steuern das Schiff auf männlicher Seite.
Keinen Stein auf dem anderen lassen
Das legendäre Hotel Schwarzer Adler in Innsbruck ist seit über 100 Jahren im Besitz der Familie Ultsch und wurde vor rund 500 Jahren von Kaiser Maximilian für seine Freundin gebaut. So eine Geschichte bedeutet auch immer eine große Aufgabe. Eigentlich hätte Sonja Karriere im Europa-Controlling eines großen Modekonzerns machen sollen; auch ihr Ehemann, der Wirtschaftsexperte Harald Ultsch, hatte ursprünglich anderes im Sinn.
Aus dem Plan, für zwei, drei Jahre der Familie im Hotel auszuhelfen, ist ein Lebenswerk geworden, in das drei Kinder hineingeboren wurden. „Wir haben den Schwarzen Adler jahrelang mit viel Herzblut geführt und unsere Leidenschaft als Gastgeber, die bis heute ungebrochen ist, entdeckt“, schwärmt Sonja Ultsch und strahlt vor Lebensfreude. Aber sie wirft gleich auch die Schattenseite auf, die viele familiengeführten Hotelbetriebe nur zu gut kennen. „Einerseits war es toll. Der Schwarze Adler war Treffpunkt für alles, was Rang und Namen hatte – bis hin zu vielen Staatsgästen. Andererseits war das, was unterm Strich für uns übriggeblieben ist, für all den Einsatz, den wir gebracht haben, nicht zufriedenstellend“, erzählt sie offen. Irgendwann habe man alles infrage gestellt – doch anstatt den Hut draufzuhauen, „waren wir bereit, keinen Stein auf dem anderen zu lassen.
Wir hatten ein dreistöckiges Restaurant, was logistisch schon eine Herausforderung war, und 40 komplett verschiedene Zimmer mit original historischer Einrichtung von Kaiserin Sissy“, beschreibt Ultsch die Situation. „Man kann sich vorstellen, wie kompliziert der Zimmerverkauf war. Wir haben überlegt, wohin wir mit dem Hotel wollen, und noch viel wichtiger: Was könnte der Gast von morgen brauchen, was möchte er dafür bezahlen und wie schlank muss das Hotel werden?“ Diese Fragen kritisch zu stellen und ehrlich zu beantworten war der Schlüssel.
Aus einer notwendig gewordenen Hotelweiterentwicklung für den Schwarzen Adler ist ein richtungsweisendes Zukunftsprojekt für das Family Business Ultsch geworden und ein beispielhafter Expansionsplan entstanden, um Hotelmarken zu kreieren und für künftige Gäste maßzuschneidern. 2006 wurde harry’s home hotels & apartments gelauncht, ganz nach dem innovativen Prinzip „Create your stay“.
Ein den Anforderungen angepasster Service, Individualität und die Zimmer-Zusammenstellung, ähnlich der eines Baukastensystems, sind Säulen der Hotelkette. Im Schwarzen Adler hingegen wurde umgebaut und man setzte auf Kooperationen mit Swarowski und Versace. „Mir war immer klar, wenn wir den Schwarzen Adler mit all seiner Historie nach vorne bringen wollen, dann müssen wir uns an eine große Marke hängen, wo wir vom Marketing profitieren“, erklärt Sonja Ultsch. Der Traum von Versace-Zimmern wurde durch ihr Verhandlungsgeschick Wirklichkeit.
2013 wurde der unkonventionellen Familie darüber hinaus die Leitung des 12-stöckigen, supermodernen Megabaus Adlers, nahe dem Hauptbahnhof in Innsbruck, angeboten. „Der Familienrat war begeistert, ein urbanes, lässiges Hotel ins Portfolio aufzunehmen. Ich hatte große Zweifel, ob das nicht alles zu viel wird“, erzählt Sonja Ultsch. „Heute bin froh, dass mich vor allem meine Kinder von diesem Projekt überzeugt haben.“
Das Adlers mit seinem Restaurant und der Rooftopbar ist ein Ort der Begegnung geworden, auch für Einheimische. In den Zimmern bodenlange Fenster mit umwerfender Aussicht auf die Stadt. Extravagant, besonders – aber lässig und mit den Gästen auf Augenhöhe. Eine der wichtigsten Visionen von damals ist erreicht. „Wir können heute mit unserem Portfolio verschiedenste Gästetypen ansprechen und den Aufenthalt anbieten, den sich der Gast wünscht“, sind sich Mutter und Tochter einig.
Im Team stark
Als wichtigen Baustein für den Unternehmenserfolg sehen die beiden Frauen die Arbeitsteilung und die Möglichkeit, sich individuell entfalten zu können. Das Glück dabei: Alle Familienmitglieder haben unterschiedliche Stärken. Harald Ultsch ist Zahlenmensch und Manager, aber auch Ideengeber und neugieriger Visionär. „Er hat ein gutes Gefühl für die Bedürfnisse der Gesellschaft und bereits 2006 die Digitalnomaden und Neo-Singles als Trend gesehen“, sagt Sonja Ultsch. Sohn Fabian ist der geborene Gastronom, Florians Expertise sind Businessmanagement und Sales. „Ich selbst bin für die Qualität der Häuser zuständig“, ergänzt sie.
Damit das funktioniert, muss man nicht nur am Puls der Zeit bleiben und die Hotelmarken stetig weiterentwickeln, man benötigt auch ein Mitarbeiter*innenführungs- und Recruiting-Konzept, das sich an der Zukunft orientiert. Und da kommt die Jüngste, Valentina Ultsch, ins Spiel. „Ich habe im Betrieb schon auch immer wieder ausgeholfen, war aber nie so stark integriert wie meine Brüder. Anfangs dachte ich mir, das mache ich sicher nicht. Ich habe Wirtschaft studiert, bin nach Australien, nach Kanada gegangen – ich wollte die Welt kennenlernen. Was mich fasziniert hat, war Social Entrepreneurship – die soziale Ader, die ich von meiner Mama habe, und das Wirtschaftliche von meinem Vater konnte ich gut kombinieren. So ging ich ins Recruiting und war drei Jahre in der Personalberatung bei renommierten Unternehmen tätig, bevor ich im letzten November ins Familienunternehmen als Leiterin der HR-Abteilung eingestiegen bin“, umreißt Valentina ihren Werdegang in aller Kürze.
Create your job
„In unserem Betrieb leben wir das Motto ,We all are family‘, das direkt aus unserer Familie hervorgeht“, erzählt Valentina. „Mein Ziel ist es, diesen Slogan auch wirklich zu verinnerlichen – egal, wie groß wir als Unternehmen sind. Das soll nicht nur eine schöne Maske nach außen sein, sondern innendrin richtig gelebt werden. Langfristig haben wir den Traum, ein Baukastensystem für Jobprofile zu erstellen.“
Das Ganze soll „Create your job“ heißen. Dabei sollen sich künftige Mitarbeitende ihre Jobprofile selbst nach ihren Stärken zusammenbasteln können. „Wichtig ist mir, bei unseren Mitarbeiter*innen auch das unternehmerische Denken zu fördern, um das Verständnis aufzubauen, was ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg ist und worauf man achten muss, damit ein Unternehmen nachhaltig wirtschaften kann. Andererseits möchte ich unseren Leuten Ziele und Möglichkeiten für die persönliche Verwirklichung geben. Auch sind wir sind mit dem Team auf Augenhöhe, nicht nur, weil wir uns alle duzen. Jeder von uns packt an, im wahrsten Sinne des Wortes – und das wird sehr geschätzt“, ist Valentina Ultsch überzeugt.
Geheime Zutat: voneinander lernen
Wenn Generationen miteinander arbeiten, ist das natürlich auch von Konflikten begleitet. „Weil wir so unterschiedlich sind, jeder seinen Bereich hat, wir aber trotzdem so eng zusammenarbeiten, haben wir eine Mediatorin, die uns begleitet. Das heißt, wenn es richtig kracht, gehen wir sofort zur ihr, Familienrat nennt sich das, und dann wird mit ihrer Hilfe alles aufgearbeitet. Familie ist für uns alles – es ist so wichtig, dass du weißt, dass immer jemand für dich da ist“, erklärt Sonja Ultsch die Kraft, die in das Unternehmen einfließt.
„Ich finde es immer bewundernswert, wie meine Eltern ganz offen sind für Neues, gerne etwas ausprobieren und gleich überlegen, ob und wie man Trends bei uns umsetzen kann. Für uns Kinder ist das ideal, wenn wir mit neuen Ideen kommen“, bringt Valentina die Innovationsfreude der Familie auf den Punkt. „Ich lerne von meinen Eltern nicht nur durch ihre Erfahrung, sondern auch die Kraft und ihr Durchhaltevermögen. Mama ist ein richtiger Wirbelwind mit so viel Kraft und Energie, und sie schafft es, jedem das Gefühl zu geben, dass er einen besonderen Wert hat, egal woher er kommt oder wer er ist“. Sonja Ultsch ergänzt voll stolz: „Ich schaue mir von Valentina ihre Ruhe, Souveränität und Besonnenheit ab – das hat mir schon in vielen Situationen weitergeholfen – und ich bewundere ihr großes Wissen“.