StartGeldGehalt 2.0 – Ist KI der neue Karrierebooster?

Gehalt 2.0 – Ist KI der neue Karrierebooster?

Beziehungstipps, Trainingspläne, Einkaufslisten – ChatGPT regelt fast alles. Aber taugt die KI auch als Verhandlungscoach? Wir haben es ausprobiert.

Erst kürzlich las ich, dass rund 40 Prozent der Frauen noch nie ihr Gehalt verhandelt haben. Ganz ehrlich? Ich kann‘s nachvollziehen. Ich selbst würde einem Zahnarztbesuch (mit Wurzelbehandlung) oder einem Rückflug mit acht Stunden Verspätung den Vorzug vor einer Gehaltsverhandlung geben.

Wenn ich aber mein Konto mit meiner To do-Liste abgleiche, ist klar: Es wird Zeit für ein Gespräch mit meiner Vorgesetzten. Und dieses Mal will ich vorbereitet sein. Die Idee: Wenn die KI schon Beziehungsdramen meiner Freundinnen entwirrt und mir eine perfekte Formulierung für eine E-Mail, die ich seit drei Wochen vor mir herschiebe, anbietet – warum nicht auch mal um Hilfe beim nächsten Karriereschritt bitten?

Ich tippe also: „Kannst du mir helfen, mich auf meine Gehaltsverhandlung vorzubereiten?“ Die Antwort: „Natürlich. Ich helfe dir gerne.“ Gefolgt von ein paar allgemeinen Fragen: Welche Position? Welches Gehalt? Was ist mein Ziel? Ich antworte und zähle meine Erfolge auf. Denn: Ich habe tatsächlich einiges vorzuweisen. Neue Projekte initiiert und umgesetzt, Abläufe geschärft, Kolleginnen eingearbeitet. „Das ist eine starke Ausgangsbasis“, sagt ChatGPT. Kein großes Lob, aber genau an der richtigen Stelle.

Was folgt, ist ein Rundum-sorglos-Paket inklusive Verhandlungsstrategie, Gesprächsstruktur und Benchmarks aus meiner Branche. Dann der Einwand meinerseits: „Ich bin nicht besonders souverän in solchen Situationen.“ Die Maschine reagiert wie eine verständnisvolle Freundin, die weiß, wie man sich gut verkauft: „Das geht vielen so. Aber du musst nicht hart auftreten, um stark zu wirken. Ich helfe dir.“

Und das tut sie. Ich bekomme konkrete Formulierungen, einen Gesprächsleitfaden, Atemtipps (!) gegen Nervosität und sogar mentale Rückenstärkung: „Stell dir vor, du bietest echten Mehrwert – du forderst nicht, du gestaltest mit.“ Ich nicke und fühle
mich bereit, für meinen Wert ein zustehen. Dann der letzte Schliff: Ein Live-Rollenspiel mit der KI als Chefin. „Wie kommst du genau auf diese Zahl? Das ist ein ordentlicher Sprung in kurzer Zeit.“ Ich lege meine Argumente dar, atme tiefdurch. Doch dann kommt: „Reichweite allein bringt noch keinen Umsatz.“ Autsch. Ich versucht es noch einmal mit mehr Substanz. Das Feedback scheppert: „Wenn du konkrete Vorschläge machst, wie du zum Geschäftserfolg beitragen willst, können wir realistischer darüber sprechen. Aber ich kann dir jetzt noch keine Zusage geben.“

Okay, also kein Triumphzug. Aber immerhin weiß ich jetzt, wo ich stehe. Ich schlage, wie empfohlen, statt dessen eine Weiterbildung vor. Die „Chefin“ – also die Maschine – ist einverstanden. Kleiner Sieg. Ich hake nach: Wie komme ich trotzdem zur Gehaltserhöhung? Business-Coach KI spuckt weitere Tipps aus, strategisch, motivierend. Und jetzt sitze ich hier, Kaffee halb leer, Kopf halb voll, und frage mich: Bin ich bereit für das echte Gespräch? Oder lasse ich doch besser die KI antreten?

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