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Führungswechsel bei der Deutschen Bahn: Evelyn Palla ist erste Frau an der Konzernspitze

„Glass Cliff“ auf Schienen? Rekordverspätungen und Reformdruck – jetzt soll es erstmals eine Frau richten.

Der Staatskonzern Deutsche Bahn steht vor einem historischen Führungswechsel: Evelyn Palla, aktuell Vorstandsvorsitzende der Nahverkehrstochter DB Regio, soll neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG werden. Sie wäre die erste Frau an der Spitze des Konzerns – und würde einen der schwierigsten Jobs Deutschlands übernehmen. Ihre Bestellung steht allerdings noch aus: Der Aufsichtsrat muss Pallas Berufung am Dienstag, 23.9. 2025,  formell bestätigen.

Hinter der Personalentscheidung steht ein klares politisches Signal. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte bereits im Sommer angekündigt, dass er die Bahnführung neu aufstellen wolle, und das mit Blick auf eine tiefgreifende Neuausrichtung des Unternehmens. Palla soll die neue Strategie des Bundes umsetzen, die unter dem Titel „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ firmiert. Was genau darin enthalten ist, bleibt vorerst offen.

Karriere mit Breite

Evelyn Palla bringt umfangreiche Managementerfahrung aus der Energie- und Verkehrsbranche mit – national wie international. Die 1973 in Bozen geborene Südtirolerin studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, mit Stationen in Köln. Bereits während und nach dem Studium sammelte sie internationale Erfahrung, unter anderem bei Siemens in Großbritannien und bei der Außenhandelsstelle der Österreichischen Handelskammer in Tokio.

2003 wechselte sie in die Energiewirtschaft: Bei E.ON war sie zunächst in München, später in Köln und Mailand tätig. Sie war maßgeblich am Aufbau der Tochtergesellschaft „E wie einfach“ beteiligt und verantwortete dort das Controlling. Anschließend übernahm sie Führungsfunktionen bei E.ON Italia, unter anderem als Leiterin Controlling.

2011 folgte der Wechsel in den öffentlichen Verkehr: Bei der ÖBB Personenverkehr AG stieg Palla rasch auf, zuerst  als Leiterin Controlling, dann Vorständin mit Zuständigkeit für Finanzen, Einkauf und den Regionalverkehr. Parallel dazu war sie Aufsichtsratsvorsitzende der ÖBB-Postbus AG.

Seit 2019 ist Palla Teil des DB-Konzerns, zunächst als Finanzvorständin beim Fernverkehr, später als Vorstandsvorsitzende der DB Regio AG. 2022 wurde sie in den Konzernvorstand der Deutschen Bahn AG berufen. Ihr Vertrag wurde im September 2024 erst um fünf Jahre verlängert. Ein Detail am Rande: Palla ist seit 2024 die einzige im Bahn-Vorstand mit Triebfahrzeugführerschein – ein klares Zeichen, dass sie Nähe zum operativen Geschäft demonstrieren will.

„Glass Cliff“ lässt grüßen

Doch ihre Berufung erfolgt nicht in ruhigem Fahrwasser. Den nun darf eine Frau aufräumen, was Männer vor ihr verbockt haben. Ein Phänomen, das sogar einen Namen hat: „Glass Cliff“ – der gläserne Abgrund. Frauen werden oft dann auf Spitzenposten befördert, wenn die Organisation bereits schwer beschädigt ist. Bei der Deutschen Bahn trifft das zu.

Denn der Konzern steckt tief in der Krise: Marode Infrastruktur, unzuverlässiger Betrieb, wirtschaftliche Schieflage. Im August erreichte nur rund jeder zweite Fernverkehrszug sein Ziel pünktlich. Die Baustellendichte ist hoch, die Kundenzufriedenheit niedrig. Zwar will man mit Generalsanierungen und einem neuen Baustellenmanagement gegensteuern, doch viele Maßnahmen stehen erst am Anfang oder laufen schleppend.

Sparpläne und Restrukturierung

Zudem steht der Konzern vor einem massiven Umbau. Tausende Stellen sollen gestrichen, defizitäre Bereiche wie DB Cargo profitabel gemacht werden. Trotz leichter Verbesserungen in der Bilanz wies das Unternehmen im ersten Halbjahr 2025 noch immer ein Minus von 760 Millionen Euro aus.

Ob Palla die dringend notwendige Transformation stemmen kann, wird auch davon abhängen, wie viel Rückendeckung sie tatsächlich aus der Politik bekommt. Zwar ist mit der Ministerunterstützung zu rechnen, doch selbst ihr Vorgänger Richard Lutz hatte zuletzt gewarnt, dass die bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Bahn zukunftsfähig zu machen. Das Verhältnis zwischen verkehrspolitischem Anspruch und haushaltspolitischer Realität bleibt angespannt.

Entscheidung steht noch aus

Bislang ist die Berufung Evelyn Pallas noch nicht final. Der Aufsichtsrat tagt am Dienstag. Bis dahin bleibt offen, ob sich das angekündigte Signal der Erneuerung tatsächlich manifestiert – oder ob der historische Schritt auf der Zielgeraden doch noch ins Stocken gerät.

Hinweis: Die Berufung Evelyn Pallas zur Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG durch den Aufsichtsrat stand zum Redaktionsschluss dieses Artikels noch aus. 

Das Aufsichtsgremium des Staatskonzerns hat die Personalie am 23.9. 2025 bestätigt.
Wie das staatseigene Unternehmen nach der Sitzung des Gremiums in Berlin mitteilte, wird sie zum 1. Oktober die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden Lutz antreten.

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