Verwirrung ist ein Ziel derer, die in den USA nun an der Macht sind und diese ohne Gnade einsetzen. Wenn nichts mehr geglaubt wird, weil die Fakten verdreht werden, sind auch Gegenwehr und Gegenrede schwierig. Wenn der Konsens über eine gemeinsame Wahrheit fehlt, dann ist es schwer, zu verhandeln.
Mit dem Blick zurück auf die deutlichen Ansagen von US-Vizepräsident JD Vance im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz und mit dem Blick nach vorn auf die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen den Eskapismus wählen, sich vor den Nachrichten wegducken oder in Angst erstarren.
Der Kopf der Journalistin sagt: Das alles ist keine Option. Leichter gesagt, als getan. Deshalb führte mich mein Weg am gestrigen Sonntag in einen Münchner Boxclub. Dort sprach der mehrfache Weltmeister im Schwergewicht, Berater und Autor Dr. Wladimir Klitschko zwischen Boxsäcken und Postern mit der Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner über die aktuelle politische Lage, und wie wir trotz Ängsten ins Handeln kommen können.
Seit der russischen Invasion in der Ukraine ruft Klitschko seine Landsleute und die Welt immer wieder dazu auf, Haltung zu zeigen gegen das Unrecht. Gemeinsam mit Tatjana Kiel hat er die Hilfsorganisation WeAreAllUkrainians gegründet, die in großem Stil Spenden einsammelt und verteilt.
Er beginnt mit einem zunächst ebenfalls verwirrenden Satz: „Trump hat recht.“ Und Wladimir, selbst jünger als sein Bruder Vitali (Bürgermeister von Kyiv), meint damit: Europa muss erkennen, dass es sich vom großen Bruder lösen muss. Eigene Stärke kreieren, um gemeinsam unabhängiger zu sein. Wie das funktionieren kann, darüber beraten heute auf einem Sondergipfel in Paris die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Großbritanniens, Italiens, Polens, Spaniens, der Niederlande und Dänemarks beraten, auch die Spitzen von EU und Nato sind eingebunden.
Solche Veränderungen tun weh und bringen jede Menge Befürchtungen mit sich. „Schmerzen sind Ängste, die den Körper verlassen“, weiß Klitschko. Sein Appell: „Stell dich deinen Ängsten. Und dann schieb sie beiseite, denn dahinter liegt dein Schicksal.“ Europa dürfe nicht weiter so viel verschlafen. Intrapreneurship sei jetzt gefragt, statt nur auf die anderen zu schauen.
Klappt das auch als Nicht-Boxweltmeister?
Es geht auch etwas kleiner. Jetzt ist die Zeit, unsere sorgsam aufgebauten Personenmarken mit Impact einzusetzen. Dazu rief Magdalena Rogl, Diversity & Inclusion Lead von Microsoft in der vergangenen Woche auf LinkedIn auf. Rogl, die ihre Stimme derzeit mutig und laut erhebt, etwa am Samstag mit einer Rede bei der Demonstration ‚Wähl Liebe‘ in Berlin oder als Beiratsvorsitzende von Initiativen wie Queermentor, sagt es klar: „Ich habe keinen Bock mehr auf Personal Branding.“
„Es geht nicht darum, wie viele Kontakte du hier auf LinkedIn hast, sondern wie viele Menschen du wirklich unterstützt. (…) Am Ende erinnert sich niemand an deinen perfekten Post mit 1000 Likes oder deine durchgestylte LinkedIn-Bio. Aber sie erinnern sich daran, wie du sie behandelt hast. Wie du Mitgefühl gezeigt hast. Wie du sie inspiriert hast. Wie du echte Verantwortung übernommen hast. Wie du die Welt um dich herum verändert hast. Ich wünsche mir, dass wir aufhören uns als Marken zu sehen – und anfangen, uns als Menschen mit Verantwortung zu begreifen. Nicht für unsere eigene Sichtbarkeit, sondern für das, was wir in anderen hinterlassen. Ich wünsche mir, dass wir weniger darüber reden, wie wir uns vermarkten – und mehr darüber, welchen echten Unterschied wir in dieser Welt machen können.“
Die gemütlichen Zeiten sind vorbei. Aber: Bangemachen gilt nicht. Alle, die eine Stimme haben, sollten sie jetzt auch nutzen. Viele Unternehmer:innen sehen LinkedIn längst nicht mehr nur als Business-Sprachrohr, sondern setzen ihre Reichweite für den Erhalt der Demokratie ein. Nicht alle finden das passend. Nicht alle haben das Bedürfnis, sich auf diese Weise mitzuteilen.
Aber egal wo, egal wie, es geht darum, Gesicht zu zeigen, ins Handeln zu kommen, nur nicht weg sehen. Eintritt in eine Partei, Ehrenamt, Spenden, oder auch nur ein Gespräch über den sprichwörtlichen Gartenzaun. Wählen gehen. „Face The Challenge“, so Klitschkos Appell. Meine Sheconomy-Kolleginnen Nadia Weiss und Michaela Ernst schrieben es bereits in ihren Meinungsbeiträgen zur Europawahl 2024: „Es ist nicht egal, wenn man seine Stimme nicht nutzt. Wer nicht entscheidet, für den entscheiden andere“. Oder wie Wladimir Klitschko es ausdrückt: „Wenn du dich nicht mit Politik beschäftigst, dann wird Politik sich mit dir beschäftigen.“