StartInnovationPlanetEin Kreislauf gegen die Krise

Ein Kreislauf gegen die Krise

Während Müllberge überall auf der Welt wachsen, schrumpfen die Ressourcen. Gleichzeitig werden neue US-Zölle die Preise für Handelswaren in die Höhe treiben. Die Kreislaufwirtschaft könnte das Problem langfristig lösen. Das bietet auch Anleger*innen Chancen.

Die ersten Tage des neuen US-Präsidenten Donald Trump waren mit großer Spannung erwartet worden. So machte der neue White-House-Chef bereits zu Beginn seiner zweiten Amtszeit mit seinen Ankündigungen ernst. Anfang Februar wurden Importe aus Mexiko und Kanada mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent belegt, die kurz darauf zumindest vorübergehend wieder ausgesetzt wurden. Auf Einfuhren aus China liegen die Zölle nun bei zehn Prozent, worauf Peking prompt mit Gegenmaßnahmen reagierte. Der freie Welthandel dürfte angesichts solcher Entwicklungen zunehmend unter Druck geraten. Auch für die Inflationsentwicklung sind die Maßnahmen keine guten Nachrichten, da sich die Preise vieler Produkte verteuern werden.

Zumindest aber dürfte das Bewusstsein für das Ende einer Welt mit Billigwaren steigen, die Wertschätzung der Wiederverwertung zunehmen. Und das ist auch gut so, wie handfeste Zahlen verdeutlichen. Laut dem jüngsten Circularity Gap Report, der von der internationalen Circle Economy Foundation mit Sitz in Amsterdam gemeinsam mit dem US-Beratungsunternehmen Deloitte Group regelmäßig veröffentlicht wird, war 2023 die globale Wirtschaft nur zu 7,2 Prozent zirkulär. 2020 lag die Kreislaufquote bei 8,6 Prozent, 2018 sogar noch bei 9,1 Prozent.

Das Fazit ist klar: die Müllberge wachsen. Auch eine weitere Kennzahl deutet auf eine wenig erfreuliche Entwicklung. So fiel der „Earth Overshoot Day“ – oder Erdüberlastungstag – im vergangenen Jahr auf den 1. August 2024. An jenem Tag hat die Menschheit sämtliche Ressourcen aufgebraucht, die der Planet innerhalb eines Jahres auf natürlichem Weg ersetzen kann. Im Jahr 2000 fiel der Tag erst auf den 1. November, die Ausbeutung der Erde nimmt folglich zu. Lösungen sind damit dringender denn je gefragt.

Frederike Bauer, Produktspezialistin bei Xtrackers

Immerhin hat die EU bereits Maßnahmen gesetzt. „Europa hat im Rahmen des europäischen Green Deal eine führende Rolle bei der Förderung der Kreislaufwirtschaft übernommen. Dies dient auch als Schritt zur Verringerung der externen Abhängigkeiten“, konstatiert Frederike Bauer, Produktspezialistin bei Xtrackers – ein Tochterunternehmen des deutschen Vermögensverwalters DWS. Genauer gesagt wurde 2020 der „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ verabschiedet. Demnach soll die EU-Verwendungsrate von Kreislaufmaterial bis 2030 auf 23,2 Prozent verdoppelt werden.

Die Maßnahmen sind vielfältig. So schreibt die EU vor, dass sämtliche Mitgliedsstaaten seit Jahresanfang 2025 eine getrennte Textiliensammlung ermöglichen müssen. Dies war bislang in vielen Ländern noch nicht flächendeckend der Fall. Alle Textilien, die nicht stark beschmutzt oder beschädigt sind, müssen nun überall in Altkleidercontainern statt im Restmüll landen. Überprüfen lässt sich das freilich schwer. Jedenfalls ist die nächste Stufe laut „Re-Use Austria“ bereits geplant. So könne der künftige Aufbau eines Recyclingsystems für nicht tragbare Textilien erst dann realisiert werden, wenn Hersteller und Importeure dafür die Kosten übernehmen, wie es heißt. Die diesbezüglichen Verhandlungen zu einer neuen EU-Regelung seien bereits am Laufen.

Agatha Kalandra, Vorständin und Sustainability Lead von PwC Österreich

Auch der Industrie greift man in Hinblick auf den wachsenden Bedarf an Rohstoffen unter die Arme. „Recycling und Materialeffizienz sind der Schlüssel, Lieferengpässe zu minimieren und strategische Rohstoffe nachhaltig zu sichern“, sagt Agatha Kalandra, Vorständin und Sustainability Lead von PwC Österreich. Entsprechende Rahmenbedingungen schaffe dabei auch der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA). Die Verordnung wurde im Mai des vergangenen Jahres veröffentlicht. „Ziel ist es, die Versorgungssicherheit und nachhaltige Nutzung von kritischen Rohstoffen zu gewährleisten, die für die europäische Wirtschaft unerlässlich sind“, ergänzt Kalandra.

Edda Wolf, Bereichsleiterin Rohstoffe bei Germany Trade & Invest (GTAI) der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Deutschlands

Doch worum geht es konkret? Edda Wolf, Bereichsleiterin Rohstoffe bei Germany Trade & Invest (GTAI) der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Deutschlands, präzisiert und sagt: „Ein wichtiger Bestandteil des CRMA ist die Förderung des Recyclings, um die Verfügbarkeit von sekundären Rohstoffen zu erhöhen. Der CRMA soll sicherstellen, dass die Recyclingkapazität der EU bis 2030 mindestens 25 Prozent ihres jährlichen Verbrauchs an strategischen Rohstoffen decken kann“.

Die Beweggründe sind klar. Ziel sei es, die Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen aus gebrauchten Produkten, Komponenten, Metallschrott und mineralischen Abfällen stark zu steigern. Schließlich wächst auch der Bedarf. „Von erneuerbaren Energien bis hin zu Elektrofahrzeugen benötigen klimafreundliche Energietechnologien mehr kritische Mineralien als auf fossilen Brennstoffen basierende Technologien. Der Übergang zu einem sauberen Energiesystem führt zu einem enormen Anstieg der Nachfrage nach kritischen Mineralien“, betont Wolf. Einzig, noch sei der Aufwand für das Recycling von Batteriemetallen und Dauermagneten hoch und die Recyclingrohstoffe teurer als neue Materialien, betont die erfahrene GTAI-Expertin. Das machte ihren Einkauf für Industrieunternehmen bisher wirtschaftlich unattraktiv, ein Umstand, der sich im aktuellen Umfeld jedoch ändern könnte. „Wenn nun neue Handelsbarrieren die Verfügbarkeit von kritischen Rohstoffen einschränken, gilt es für die betroffenen Industrieunternehmen, ihre Rohstoffversorgung zusichern, und sie könnten bereit sein, eine Sicherheitsprämie zu bezahlen.“

Bereits 2023 wurden erste Schritte gesetzt, auf die Wolf verweist: Als Reaktion auf Sanktionen der USA und der EU hat China Exportbeschränkungen für kritische Mineralien wie zum Beispiel Gallium oder Seltene Erden und Technologien zu deren Produktion eingeführt. „Für 2025 erwägt Peking weitere Restriktionen für den Export von Technologien zur Raffination von Gallium und Lithium und zur Herstellung von Komponenten für Lithiumbatterien.“ Trump möchte sich wiederum den Zugang etwa zu Seltenen Erden und Lithium in der Ukraine sichern. Umso mehr sollten die Chancen einer Kreislaufwirtschaft ernstgenommen werden, betonen Expertinnen.

Rebecca Tauer, Programmleiterin für Circular Economy im Bereich Wirtschaft und Märkte des WWF Deutschland

Rebecca Tauer, Programmleiterin für Circular Economy im Bereich Wirtschaft und Märkte des WWF Deutschland, sagt, „die Kreislaufwirtschaft stärkt die wirtschaftliche Resilienz. Viele Rohstoffe sind begrenzt oder geopolitisch umkämpft. Durch zirkuläre Geschäftsmodelle können Unternehmen unabhängiger von schwankenden Rohstoffpreisen werden und sich Wettbewerbsvorteile sichern.“ Tauer sieht noch weitere Vorteile. So biete die Kreislaufwirtschaft eine nachhaltige Alternative und reduziere den Einsatz von Primärrohstoffen, indem sie Produkte langlebiger macht, Materialien wiederverwendet sowie Abfall vermeidet. Unternehmen müssten deshalb ihre Geschäftsmodelle grundlegend hinterfragen – weg vom linearen „Verkaufen und Wegwerfen“ hin zu Miet-, Leasing- oder Sharing-Modellen. Die WWF-Deutschland-Expertin sagt, „solche Innovationen können wiederum Jobs in Bereichen wie Reparatur, Wiederaufbereitung und digitalen Plattformlösungen schaffen“.

Anita Frühwald, CEO Austria & CEE bei der BNP Paribas Asset Management

Tatsächlich setzen immer mehr Unternehmen auf Wiederverwertung. Weil viele der Firmen an der Börse notiert sind, können auch Anlegerinnen auf den wachsenden Trend – etwa mit einem Investment in ETFs – breit gestreut setzen. Beim BNP Paribas Easy ECPI Circular Economy Leaders UCITS ETF investiert der zugrundeliegende Index in 50 Unternehmen aus den Industrienationen. „Sie müssen nicht zwangsläufig in der Kreislaufwirtschaft tätig sein, sondern diese in ihre Geschäftsmodelle integrieren“, betont Anita Frühwald, CEO Austria & CEE bei der BNP Paribas Asset Management. Deshalb seien auch die verschiedensten Sektoren vertreten, ergänzt Frühwald. Was Anlegerinnen noch wissen sollten: Weil manche Aktien besonders starke Kursgewinne verzeichnen, steigt deren Gewichtung im Index an. Zuletzt nahmen etwa Technologieaktien wie Oracle und Cisco Systems hohe Gewichtungen ein.

Oracle, das etwa Hardware und Clouddienste anbietet, bemüht sich um das Recyling möglichst vieler Teile bei ausrangierten Datenzentren. Der zugrundeliegende Index des Xtrackers MSCI Global SDG 12 Circular Economy UCITS ETF investiert hingegen in Unternehmen, die mit einem oder mehreren der 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) in Einklang stehen, präzisiert Xtrackers-Produktspezialistin Bauer. Sie meint, „die Unternehmen erzielen entweder bereits Umsätze in Bereichen, die zu den SDGs beitragen, oder in Bereichen und Schlüsseltechnologien, die für die künftige Erreichung dieser SDGs wichtig sein werden“. Investiert wird zum Beispiel in die französische Schneider Electric, die etwa auf die Wiederverwertung von Plastik setzt, sowie in den Schweizer Industrieroboterhersteller ABB. Dieser setzt ebenfalls auf ein Recycling seiner Materialien. Interessierte Anleger*innen müssen jedoch beachten, dass auch bei diesen Investmentprodukten Verluste möglich sind, und sollten nur einen Teil ihres Vermögens investieren.

FotomaterialStocksy

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