Gülnaz Atila, Category Director Wall und Doris Strohmaier, COO im Bereich Piping Solutions sind zwei Frauen bei Wienerberger, die die Digitalisierung im Baustoff- und Infrastrukturbereich wesentlich vorantreiben. Im Interview mit Sheconomy sprechen sie über innovative Projekte, Digitalisierung und ihren Weg in die Baubranche.
Welche Aufgabenbereiche umfassen Ihre aktuellen Positionen bei Wienerberger?
Gülnaz Atila: Ich bin in der Business Unit Wienerberger Building Solutions als Category Director für den Bereich Wand verantwortlich. Die Schwerpunkte liegen vor allem bei nachhaltigen und energieeffizienten Systemlösungen für die Gebäudehülle, die durch smarte Robotik und Vorfertigung ergänzt werden. Im Category Management geben wir die gruppenweite strategische Ausrichtung für diese innovativen Systemlösungen vor.
Doris Strohmaier: Ich bin in der Business Unit Wienerberger Piping Solutions als COO für die strategische und operative Ausrichtung der Region Central-East zuständig. Wir beschäftigen uns mit Wasser- und Energiemanagement, sowohl in der Infrastruktur als auch im Gebäude. Wir arbeiten daran, die großen Themen wie nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen sowie schnell und einfach zu installierende Systeme in den einzelnen Ländern umzusetzen.
Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung stark beschleunigt, was hat sich diesbezüglich im Ziegelbereich getan?
Atila: Die digitale Interaktion mit Kund:innen und Planer:innen stellt eine große Herausforderung und Chance dar. Building Information Modelling (kurz: BIM) spielt dabei eine große Rolle. Mit BIM werden Bauwerke anhand eines digitalen Gebäudemodels über ihren gesamten Lebenszyklus abgebildet und von allen Projektbeteiligten mit relevanten Informationen angereichert. Wir entwickeln Applikationen und Tools, die unseren Stakeholdern sämtliche Informationen über unsere Systeme für gängige BIM-Lösungen zur Verfügung stellen.
Die Baubranche gilt als männerdominierter Beruf, stimmen Sie dem zu?
Atila: Auf den ersten Blick, ja. Aber bei einem Bauprojekt gibt es unterschiedliche Phasen. In der Planungsphase, in der es vor allem um Architektur und Design geht, würde ich das nicht behaupten. In der Bauphase, auf der Baustelle beispielsweise, sind aber definitiv mehr Männer als Frauen.
Strohmaier: ‘Die Baubranche‘ klingt per se nicht unbedingt attraktiv für Frauen. Ein zweiter Blick offenbart aber ein ganz anderes Bild: die Branche leistet einen enormen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft. Es passiert so viel im Bereich Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit – Themen, die die gesamte Bevölkerung betreffen.
Wird sich das ändern?
Atila: Um unsere Produkte zu verbauen, braucht es eine gewisse körperliche Kraft. Wir entwickeln Technologien, mit denen in Zukunft, durch den vermehrten Einsatz von digitaler Fabrikation und Robotics, der körperliche Aufwand stark reduziert wird. Der Einsatz von Robotern im Bauwesen ist noch in den Anfängen, doch der hohe Innovationsgrad auf diesem Gebiet ist in der Tat sehr vielversprechend. Diese Entwicklungen können für Frauen ein sehr spannendes Feld und neue Chancen darstellen.
Wie sahen Ihre Wege in die Baubranche aus?
Strohmaier: Ich komme aus der Automobilbranche und war im Einkauf tätig. Anfang der 2000er habe ich mich nach etwas Neuem umgesehen und bin durch einen Zufall auf die Rohrbranche aufmerksam geworden. Nachdem ich erkannt habe, wie wesentlich diese Industrie für unser aller Wohlbefinden ist und wie viel Innovationspotenzial in dieser Branche steckt, hat sich in mir ein Feuer entfacht, das ich seither versuche, an andere weiterzugeben.
Atila: Es hat sich für mich relativ früh im Studium herauskristallisiert, dass ich keine „klassische Bauingenieurin“ werden wollte. Nach dem Studium habe ich auf eine Stellenausschreibung bei Wienerberger Deutschland im Produktmanagement reagiert, die vor allem Technik, Kundennähe und Innovation bestens vereinte.
Was sind Beispiele für Innovationen im Ziegel- und Rohrbereich?
Atila: Der Fachkräftemangel ist mittlerweile überall spürbar. Wir wollen das Bauen mit unseren Produkten smarter und digitaler machen. Daher entwickeln wir derzeit einen Maurer-Roboter, der digital gesteuert, unsere Ziegel aus der Palette entnimmt und das Mauerwerk erstellt.
Strohmaier: Im Rohrbereich haben einerseits bereits alle Produktionsanlagen einen digitalen Zwilling, der über die Verarbeitung großer Datenmengen die Optimierung der produzierten Produkte ermöglicht. Andererseits machen wir unsere Produkte für den Kunden durch den Einsatz von Sensoren „smart“ und helfen so, den Wasserverlust zu minimieren.
Was würden Sie anderen Frauen auf den Weg geben, die in einer männerdominierten Branche Fuß fassen wollen?
Strohmaier: Einerseits denke ich, dass wir hier bei uns – in der Baubranche – ansetzen müssen. Wir müssen besser kommunizieren wofür wir stehen, warum wir tun was wir tun und wieso wir uns jeden Montagmorgen darauf freuen, einen Beitrag zu einer besseren Zukunft zu leisten. Andererseits gibt es im Bereich der Ausbildung noch viel zu tun. Jedes Kind ist neugierig und wir müssen es schaffen, ohne tradierte Rollenbilder und Geschlechterklischees Kinder darauf vorzubereiten, die Probleme der Zukunft zu lösen.
Atila: Erziehung und Schulbildung. Beides ist wesentlich. Wir müssen früh ansetzen, junge Frauen für Technik zu begeistern. Das kann beispielsweise damit beginnen, dass man junge Schüler:innen schon früh mit Praktika und Schnuppertagen verstärkt in die Unternehmen holt und sie so unterschiedliche Berufsbilder kennenlernen.