Das Schreckensjahr 2022 markierte eine wichtige Wende auf den globalen Finanzmärkten. Nach Jahren der tiefen Inflationsraten und ultraniedrigen Zinsen schnellten beide Kennzahlen wieder nach oben. Grund für die rasante Wende war freilich das Ende der strengen Corona-Maßnahmen und damit auch die Aufhebung der Lockdowns. Die Nachfrage nach zahlreichen Gütern und Dienstleistungen war entsprechend hoch, das Angebot jedoch kaum vorhanden. Für die Notenbanker war klar: Sie mussten handeln. In zahlreichen Schwellenländern wurde früh reagiert, in der Eurozone verkündete EZB-Präsidenten Christine Lagarde die erste Leitzinsanhebung im Juli 2022 um 0,5 Prozentpunkte.
Die Entwicklung schockte Aktien- und Anleiheanleger:innen gleichermaßen. Und so sanken auch die Bondkurse kräftig. Denn in Zeiten steigender Zinsen sind bestehende Papiere geringer verzinst als neue Bonds, die nach der Anhebung emittiert werden, und somit viel weniger gefragt. Weil die geldpolitische Schraube besonders rasch festgezogen wurde, verloren Anleihen sogar kräftig an Wert.
Inflation ist keine Einbahn
Das Blatt hat sich seither gewendet. Die Inflation hat bereits vor Monaten zu einem Rückwärtsgang angesetzt, wenn gleich die Entwicklung freilich keine Einbahnstraße ist. So stieg die Inflation in der Eurozone im Monat Oktober um zwei Prozent im Jahresvergleich. Im September lag die Rate noch bei 1,7 Prozent. Doch immerhin liegen die Zahlen ein gutes Stück unter dem Spitzenwert von 10,7 Prozent im Oktober 2022. Ähnlich ist auch die Entwicklung jenseits des Atlantiks, weshalb die Notenbanken inzwischen mit den ersten Zinssenkungen begonnen haben. Solch ein Umfeld ist wiederum eine gute Stütze für die Anleihemärkte. Dann sind nämlich bestehende Papiere besser verzinst als jene, die erst nach der Senkung begeben werden.
Ann-Katrin Petersen, Leiterin Kapitalmarktstrategie in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Osteuropa beim BlackRock Investment Institute, zieht jedenfalls ein klares Fazit. So habe die EZB an Zuversicht gewonnen, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2025 wieder ihr Ziel von zwei Prozent erreichen werde. „Wir halten deshalb eine Reihe aufeinanderfolgender Zinssenkungen für wahrscheinlich.“
„Die EZB hat an Zuversicht gewonnen, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2025 ihr Zwei-Prozent-Ziel erreicht.“
Einzig, längst stehen nebst den Renditechancen auch nachhaltige Aspekte bei Bondinvestments im Fokus. Dies geschieht seit Jahrzehnten mit Green Bonds, bei denen Firmen und Staaten das Geld für Umweltprojekte einsetzen. Mittlerweile sind auch Social Bonds Teil der nachhaltigen Palette. Die erste Emission – sie fand im November 2006 statt – widmete sich dem Kampf der Kinderkrankheiten. Damals begab die internationale Organisation „International Finance Facility for Immunisation“ (IFFIm), die Zuschüsse von Ländern wie Norwegen, Frankreich und Südafrika erhält, den ersten „Vaccine Bond“ in Höhe von einer Milliarde US-Dollar und einer Laufzeit von fünf Jahren.
Inzwischen ist die Palette an Social Bonds breit gefächert. So wird etwa leistbarer Wohnraum und der Zugang zu Lebensmitteln für einkommensschwache Menschen unterstützt. Die Förderung von Ausbildungen zählt ebenso dazu wie jene der Gendergerechtigkeit. „Die Gleichstellung der Geschlechter spielt bei Social Bonds eine wichtige Rolle, da einige Emittenten sich auf die Finanzierung von Projekten konzentrieren, die sich direkt oder indirekt mit den Ungleichheiten von Frauen und geschlechterspezifischen Minderheiten befassen“, betont Isobel Edwards, Global Head of Green, Social and Impact Bond Research bei Goldman Sachs Asset Management (GSAM). So sei die Gleichstellung in verschiedenen Kategorien solcher Anleihen enthalten, zum Beispiel bei Schaffung von Arbeitsplätzen, dem Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und sozioökonomischem Fortschritt sowie dem Empowerment.
Social Bonds als Staatsaffäre
Überhaupt werden zahlreiche Social Bonds von Staaten oder staatsnahen Organisation begeben. Auch Banken mischen längst kräftig mit, um mit dem Erlös solcher Papiere soziale Vorhaben zu finanzieren. Ein klein wenig engagieren sich auch Firmen aus anderen Branchen.
Doch wie sehen jüngste Entwicklungen aus? Jennifer Goeytes, co-leitende Portfoliomanagerin des Amundi Impact Social Bonds Fonds (FR0013531266), blickt auf die Geschehnisse im Jahr 2020 zurück. „Damals kam es aufgrund der COVID-19-Pandemie zu einem starken Anstieg der Emissionen, da Regierungen und Unternehmen Projekte finanzieren mussten, die sich mit sozialen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheitswesen, bezahlbarer Wohnraum und Arbeitslosigkeit befassten.“ Nach einer kleinen Delle im Folgejahr, wuchs der Markt in den Jahren 2022 und 2023 und erreichte Ende September 2024 bereits ein Gesamtvolumen von 607 Milliarden Euro.
„2020 kam es aufgrund der COVID 19-Pandemie zu einem starken Emissionsanstieg, um soziale Projekte zu finanzieren.“
Auch der Blick auf regionale Entwicklungen offenbart Interessantes. GSAM-Expertin Edwards verweist auf den Umstand, dass Europa die dominierende Region in Bezug auf den Gesamtbetrag der emittierten Social Bonds sei. Gut 43 Prozent der Gesamtemissionen entfielen im Jahr 2023 auf die Region. Zweitgrößte Region ist Asien. „Nord- und Südamerika verzeichneten ein gewisses Wachstum, mit einem bemerkenswerten Anstieg von 26 Prozent in den Jahren 2022 und 2023, obwohl der Gesamtanteil niedriger blieb als in den beiden anderen Regionen.“
Unterschiedliche Investansätze
All solche Marktchancen nutzen die Expertinnen jedoch unterschiedlich, wie der Blick auf die Fonds zeigt. Im Amundi-Portfolio entfällt die größte Einzelgewichtung auf zwei Social Bonds des slowenischen Staates, mit denen der Staat den Bildungs- sowie den Gesundheitssektor unterstützt. Überhaupt mache letzterer Sektor den größten thematischen Anteil im Fonds aus, fügt Portfoliomanagerin Goeytes hinzu. Sie habe aber auch ganz andere Regionen im Fokus und streue das Fondsvermögen ebenso auf Emissionen aus Chile, Kolumbien sowie aus Mexiko und Peru. Goeytes verweist in diesem Zusammenhang auf eine Besonderheit der Märkte in diesen Regionen und sagt: „Die Staaten emittieren soziale Anleihen direkt, im Gegensatz zu vielen anderen Regionen, wo solche Anleihen meist von nationalen Agenturen oder privaten Unternehmen ausgegeben werden.“
Im Goldman Sachs Social Bond Fund (LU2489471016) steht vor allem Frankreich im Fokus. Dazu zählen Emissionen der Crédit Agricole sowie der Unedic, einer Organisation, die das Arbeitslosengeld in dem Land verantwortet. Auch Amundi investiert in Social Bonds beider Emittenten. In Social Bonds der EU wird ebenfalls investiert. Dabei hat die europäische Staatengemeinschaft erstmals 2020 im Rahmen von SURE, dem EU-Kurzarbeitsprogramm, Sozialanleihen begeben, um damit die Arbeitslosigkeit aufgrund der Corona-Pandemie einzudämmen.
„Wir hatten eine Asia-Development Bankanleihe, mit der Chancen für Frauen in Südostasien gefördert wurden.“
Damit ist freilich längst nicht Schluss. Investments in den sozialen Wohnbau werden etwa mit Anleihen der Berliner Gewobag Wohnungsbau AG, in die der Goldman Sachs-Fonds investiert, abgedeckt. Im CT (Lux) European Social Bond (LU2170387828) von Columbia Threadneedle hat Fondsmanagerin Tammie Tang wiederum ein Auge auf Sozialanleihen des deutschen Wohnbaukonzerns Vonovia geworfen. Der Konzern finanziert damit soziale Wohnprojekte, in denen unter anderem ein möglichst barrierearmes Umfeld ermöglicht wird, wie es seitens des Konzerns heißt. Damit wolle man einer zunehmend alternden Bevölkerung entgegenkommen.
Schwerpunkt Gerechtigkeit
Doch wie sieht es mit dem Thema Gendergerechtigkeit aus? So war der Columbia Threadneedle-Fonds in Gender-Bonds der Asia Development Bank investiert. Mit dem Erlös werden unter anderem Chancen am Bildungs- und Arbeitsmarkt für Frauen in Südostasien gefördert. Derzeit stehen Social Bonds des britischen Finanzinstituts Natwest Bank im Fokus. Mit dessen Erlös sollen Unternehmen, die von Frauen geführt werden, finanzielle Unterstützung erhalten. Auch die anderen zwei Fonds decken mit ihren Investments zu einem Teil das Thema Gendergerechtigkeit ab.
Alles in allem sind die Ansätze und Chancen vielfältig. Einzig, wie kontrollieren die Expertinnen, ob versprochene Leistungen tatsächlich erbracht wird? GSAM-Expertin Edwards betont, dass Emittenten jährlich einen Bericht zu den Auswirkungen und der Verwendung von Social Bonds vorlegen müssen. Sollte dies einem Emittent nicht gelingen, trete man in Kontakt mit ihm, um die Gründe dafür zu eruieren und die Anpassung an die GSAM-Transparenzstandards zu fördern.
„Einige Emittenten konzentrieren sich auf Projekte, die sich unter anderem mit Ungleichheiten von Frauen befassen.“
Auch bei Amundi achtet man auf die Auswirkungen der sozialen Projekte. Als Schlüsselindikator sei laut Goeytes die jährliche Anzahl der Begünstigten pro Million investierter Euro des Portfolios. Immerhin: Jede in Amundi Impact Social Bonds investierte Million Euro kam per Ende 2023 exakt 2737 Menschen zugute. „Der Fonds verfolgt auch, wie die Erlöse der einzelnen sozialen Projekte nach Standort, Art des Projekts und Zielgruppe verwendet werden.“
Einzig, trotz des nachhaltigen und langfristig ausgerichteten Ansatzes all solcher Investments sind Kursverluste ebenso möglich. Das dürfen Anlegerinnen nicht übersehen. Zumindest aber gibt es kein Währungsrisiko. Schließlich wird teils in Papiere investiert, die in Euro notieren. Und jene Anleihen, die in anderen Währungen notieren, werden zum Euro abgesichert.