Ein Hauch von Ästhetik liegt in der Luft der Spiegelgasse im Herzen Wiens. Zwischen Modeboutiquen und Antiquitätengeschäften glitzern und funkeln die Schaufenster einiger Luxusjuweliere und Schmuckdesigner. Darunter auch das Unternehmen Skrein, das bereits in der zweiten Generation geführt wird. Ein Gespräch mit Marie Skrein.
Das Familienunternehmen Skrein wurde in den 1990er Jahren gegründet. Wann sind Sie in das Unternehmen eingetreten und was hat sich seitdem verändert?
Marie Skrein: Es ist schwer zu sagen, seit wann ich zum Unternehmen gehöre. Seit ich mich erinnern kann, war ich bei vielen Mittagessen, Frühstück und Abendessen in Gespräche über das Unternehmen dabei. Meine Ausbildung habe ich mit 15 Jahren begonnen, parallel zum Gymnasium. Schon damals habe ich mitgeholfen. Meine Entscheidung, das Unternehmen zu übernehmen, fiel 2017. Die Veränderungen seit meiner Übernahme sind subtiler Natur und entwickelten sich schrittweise. Ich habe zum Beispiel die Shootings und natürlich das Design beeinflusst. Unser Stil mag frischer und jünger wirken, aber wir bleiben unserer Linie und unserem außergewöhnlichen Design treu. Durch meine Jugendlichkeit treffe ich mutigere Entscheidungen, gleichzeitig sehe ich mich als Hüterin der Tradition und übernehme gerne die Grundprinzipien des Familienunternehmens.
Was genau ist der USP von Skrein?
M.S.: Unser Unternehmen hat sich von Anfang an durch mutige Ideen ausgezeichnet. Anfangs hat die Existenz unserer unkonventionellen Schmuckstücke bei einigen Leuten Erstaunen und Irritation hervorgerufen. Heute beobachte ich, dass Schmuck allgemein an Unregelmäßigkeit, organischer Form und einer neuen Bodenständigkeit gewinnt. Unsere Entwürfe spiegeln diese Entwicklung wider – sie verkörpern Natürlichkeit und sie sind eigenwillig, und genau das schätze ich an ihnen. Als Pioniere haben wir schon in der Vergangenheit solche „komischen“ Stücke kreiert.
Unsere Wurzeln als Schmuckwerkstatt bilden den Kern unserer Identität. Unsere Grundwerte sind tief in unserem Wesen verankert, auch wenn wir nach außen hin als Luxusjuwelier auftreten und bekannt sind. Mit eigener Werkstatt, talentierten Goldschmieden und grenzenloser Kreativität im Team entstehen unsere Schmuckstücke. Dabei setzen wir auf hochwertige und nachhaltig zertifizierte Materialien. Die Qualität unserer Arbeit spricht für sich und bedarf keiner weiteren Erklärung – sie ist untrennbar mit unserem Selbstverständnis verbunden. Ein weiteres Merkmal, das uns auszeichnet, ist unser teamorientierter Ansatz bei im Schmuckdesign. Gemeinsam bringen wir Ideen ein und gestalten jedes Schmuckstück als Kollektiv.
Wie gewinnt man Vertrauen in der Schmuckbranche?
M.S.: Vertrauen ist unerlässlich, sonst sind die Beziehungen schnell zerrüttet. Bei der Auswahl unserer Edelsteinlieferanten setzen wir auf Erfahrung und meiden Newcomer.
Als Teil der zweiten Generation teile ich mit meinem Vater die Einstellung zur Ehrlichkeit. Ich war von Anfang an ehrlich und direkt im Austausch mit Kund:innen. Ich erkläre zum Beispiel, dass Schmuck regelmäßig gepflegt werden muss. Ein Stein kann brechen, wenn er zu stark beansprucht wird, und Ringe mit vielen kleinen Steinen können diese mit der Zeit verlieren. Wir sind offen und halten keine Informationen zurück, auch nicht bei der Anprobe.
Auch auf die Gefahr hin, das teure Stück nicht zu verkaufen?
M.S.: Wir sind transparent, wenn wir Alternativen haben oder etwas nicht empfehlen. Diese Situation kommt bei uns seltener vor, weil wir Stücke erst nach ausführlichen Gesprächen präsentieren bzw. fertigen. Oft finden wir durch eine gezielte Auswahl das passende Stück. Aber wenn ein Kunde ganz gezielt nach einem Stück fragt, kann es schon mal sein, dass es nicht ideal passt.
In den meisten Situationen kommt es aber gar nicht so weit, da wir den Kund:in kennenzulernen und seine Vorlieben verstehen möchten. Mir ist ein empathischer Zugang zu anderen Menschen wichtig. Das ist eine zentrale Haltung, die ich aus meiner psychotherapeutischen Ausbildung mitgenommen habe. Dort habe ich gelernt, unterschiedliche Persönlichkeiten schnell wahrzunehmen, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen und andere zu verstehen. So gelingt es Stücke auszuwählen oder anzufertigen, die zu Lieblingsstücken werden, und das ein Leben lang bleiben.
Warum weckt Schmuck so viele Emotionen?
M.S.: Schmuck ist historisch tief verwurzelt und hat eine lange Tradition. Er ist eines der ältesten Kulturgüter, vergleichbar mit Höhlenmalereien. Die emotionale Bindung an Schmuck ist also in der Menschheitsgeschichte tief verankert. Schmücken ist ein Grundbedürfnis – von Kindheit an wollen wir uns schmücken und jedes Schmuckstück hat eine Geschichte, sei es als Geschenk zu besonderen Anlässen, als Erbstück oder als Belohnung für sich selbst. Die Umgestaltung von Erbstücken ist auch üblich, um die Verbindung zu geliebten Menschen aufrecht zu erhalten. Erinnerungen an Momente, Menschen oder Erfolge sind oft damit verbunden.
Welches konkrete Beispiel fällt Ihnen ein?
M.S.: Einmal hat ein Herr die Asche seiner Ehefrau in einen Diamanten verwandeln lassen. Damit kam er zu uns und wir haben gemeinsam einen Anhänger daraus gemacht, als bleibendes Andenken. Solche emotionalen Bindungen sind in unserem Geschäft allgegenwärtig. Situationen, in denen Kunden ihre persönlichen Geschichten mit uns teilen. Wir sind nah bei den Menschen und spüren die Emotionen – eine Nähe, die uns selbst immer wieder bewegt.
Die Schmuckbranche gilt als hart umkämpft. Wie gehen Sie mit Herausforderungen und Hürden um? Schauen Sie stark auf den Markt oder verfolgen Sie eher Ihre eigenen Ideen?
M.S.: Wir beobachten den Markt nicht nur im Schmuckbereich, sondern auch allgemeine Trends, wie zum Beispiel Farbtrends. Wir sind aber nicht sklavisch an Trends gebunden. Wenn der Markt etwas bevorzugt, das uns nicht gefällt, folgen wir nicht einfach dem Mainstream, sondern setzen auf unsere eigenen Ideen bleiben unabhängig von kurzfristigen Trends.
Generell folgen wir unserem eigenen Geschmack. In den letzten Jahren ging der Trend zu zarterem Schmuck. Manchmal beeinflusst der Goldpreis unsere Überlegungen. Wenn der Goldpreis stark ansteigt, überlegen wir, ob wir unsere Stücke leichter gestalten sollen, bleiben aber unserer Designphilosophie treu.
Ungeachtet der äußeren Einflüsse schaffen wir Schmuckstücke, die Freude bereiten und eine persönliche Bedeutung haben. Schmuck ist keine Investition, er ist in meinen Augen Ausdruck von Individualität und Emotion. Dazu kommt: Ein Stück von uns will man gar nicht verkaufen. Es ist ein Stück, zu dem die Trägerin oder der Träger eine Beziehung hat. Der Gedanke einer Investition ist damit hinfällig.
In Zeiten der Teuerung: Sehen Sie eine Zunahme an Schmuck als Investitionsform?
M.S.: In dieser Hinsicht haben wir nicht unbedingt eine Zunahme der Nachfrage nach Investitionsschmuck erlebt. Manche Menschen sind derzeit vielleicht bereit, mehr für Schmuck auszugeben, der ihre Persönlichkeit und Geschichte widerspiegelt. Unser Fokus liegt darauf, authentische Verbindungen zu schaffen und Vertrauen aufzubauen.
Apropos Authentizität: Welche Rolle spielt Authentizität für Ihren Unternehmenserfolg? Wie gelingt es Ihnen, authentisch zu bleiben?
M.S.: Authentizität hat für uns eine zentrale Bedeutung ist sicher oft der Schlüssel zum Erfolg. Für mich ist Authentizität eng verbunden mit einem grundlegenden Urvertrauen. Ein Leben, das von Unterstützung und Vertrauen geprägt ist, fördert ein gesundes Selbstvertrauen und die Fähigkeit, man selbst zu sein.
Zusätzlich braucht es immer wieder positive Bestätigung und Feedback, um die Wertschätzung und Bedeutung von Authentizität zu festigen. Auch in unseren Schmuckstücken spiegelt sich dieser große Wert von Authentizität wider, da wir damit die Persönlichkeit der Träger:in unterstreichen möchten.
Über Skrein:
Im Atelier von Marie Skrein werden Unikate nach Maß und eigene Schmuckkollektionen entworfen und angefertigt. Das Familienunternehmen in der Spiegelgasse in Wien wurde 1990 als Schmuckwerkstätte gegründet.
Auszeichnungen: Juwelier des Jahres 2018, Nominierung zum Trigos Award für Sustainability 2019 und im selben Jahr die Auszeichnung von BusinessArt als nachhaltige Gestalter:innen.