Tanja Hacker zählt zu den führenden Persönlichkeiten in der europäischen Handels- und Retail-Landschaft. Mit gerade einmal 28 Jahren übernahm sie als Prokuristin im Einkauf bei Hofer frühzeitig Verantwortung, bevor sie als Purchasing Director International für die Einkaufsstrategien in 29 Lidl-Ländern zuständig war. Es folgten Stationen als Vice President Einkauf und schließlich als Managing Director bei Aldi Nord in Deutschland.
Heute ist sie CEO & Founder der Retail Experts Group, einer der führenden Beratungsfirmen im Retail-Sektor, sowie Gründerin des Premium Leaders Club, einer Business Community im DACH-Raum.
Was war ihr persönlicher Game Changing Moment?
Ich war viele Jahre in internationalen Konzernen in Top-Führungspositionen tätig. Ich habe große Teams geleitet, globale Projekte verantwortet und mit Entscheidungsträgern auf höchster Ebene gearbeitet. Doch trotz all dieser Erfolge spürte ich mit 40 ganz klar: Jetzt ist der richtige Moment, neue Wege zu gehen – und zwar auf meinen eigenen und wollte meine eigene Geschichte schreiben.
Der bewusste Schritt aus dem Konzernleben in die Selbstständigkeit war mein persönlicher Game-Changer. Ich wollte nicht länger nur innerhalb bestehender Strukturen agieren, sondern selbst unternehmerisch gestalten. So entstand zunächst der Premium Leaders Club, ein Businessclub für Entscheidungsträger und wenig später die Retail Experts Group, eine spezialisierte Unternehmensberatung mit Fokus auf Strategie, Transformation und Zukunftsfähigkeit im Handel.
Parallel dazu engagiere ich mich heute in fünf Aufsichtsräten. Diese Mandate ermöglichen mir, meine Erfahrung in die strategische Entwicklung unterschiedlicher Unternehmen einzubringen und als Sparringspartnerin auf Augenhöhe Impulse zu setzen.
Rückblickend war dieser Schritt nicht nur eine berufliche Entscheidung, sondern eine bewusste Neuausrichtung meines Lebens – hin zu mehr Eigenverantwortung, Wirkungskraft und Sinn.
Was hätten Sie zu Beginn der Karriere gebraucht, was damals noch nicht vorhanden war, aber heute verfügbar ist?
Was mir zu Beginn meiner Karriere definitiv gefehlt hat, war der Zugang zu einem hochwertigen, vertrauensvollen Netzwerk auf Augenhöhe – einem Raum, in dem man nicht nur Wissen austauscht, sondern auch strategisch wächst und sich gegenseitig stärkt. Heute weiß ich: Erfolgreiche Karrieren entstehen nicht im Alleingang, sondern durch gezielte Verbindung mit Menschen, die ähnliche Werte und Ambitionen teilen.
Damals gab es weder strukturierte Business-Communities für Frauen in Führungspositionen noch Plattformen, die den strategischen Austausch zwischen Unternehmern, Entscheidern und Visionären ermöglichten. Mentoring, Female Leadership, Netzwerkkompetenz – das waren keine etablierten Konzepte, sondern bestenfalls private Zufälle.
Genau deshalb war es mir später so wichtig, mit dem Premium Leaders Club eine Plattform zu schaffen, die genau diese Lücke schließt: eine Community, die inspiriert, befähigt und verbindet. Heute gibt es Zugänge, Formate und Tools, die jungen Talenten wie auch erfahrenen Führungskräften helfen, gezielt an ihrem Wachstum zu arbeiten – das war zu meiner Zeit schlicht nicht vorhanden.
Ich hätte mir damals mehr Räume für Austausch, Sichtbarkeit und strategische Begleitung gewünscht. Heute sorge ich selbst dafür, dass andere genau das bekommen.
Was hatte den größten Impact auf Ihre Laufbahn?
Der Schritt in den Aufsichtsrat war für mich persönlich ein zutiefst bedeutungsvoller Moment. Nicht, weil es eine Position mit Titel ist – sondern weil es eine Verantwortung ist, die über das eigene Unternehmen hinausgeht.
Zum ersten Mal wurde ich nicht nur als Unternehmerin, sondern als strategische Sparringspartnerin gesehen. Jemand, der nicht im operativen Tagesgeschäft mitläuft, sondern der mit Weitblick, Haltung und Unabhängigkeit Impulse gibt – und dabei hilft, die Zukunft eines Unternehmens aktiv mitzugestalten.
Diese Rolle hat mich emotional tief berührt. Sie war für mich Bestätigung und Auftrag zugleich. Denn wenn man in ein solches Gremium berufen wird, dann nicht, weil man laut ist, sondern weil man über Jahre hinweg Verlässlichkeit, Integrität und strategische Tiefe gezeigt hat.
Es war der Moment, in dem ich gespürt habe: All das, was ich aufgebaut habe – mein Wissen, meine Netzwerke, meine Prinzipien – wird jetzt zum Mehrwert für andere Organisationen. Das hat meine Haltung als Führungskraft und Unternehmerin noch einmal auf ein neues Niveau gehoben.
Was war der größte Karriere-Boost?
Mein größter Karriere-Boost war keine einzelne Gelegenheit – es war meine innere Haltung. Ich habe nie auf den einen Moment gewartet, der alles verändert. Vielmehr habe ich früh begonnen, mir klare Ziele zu setzen – und diese mit Ausdauer, Engagement und Struktur zu verfolgen.
Fleiß, Ehrgeiz und Disziplin waren für mich nie Druck, sondern etwas ganz Natürliches. Ich wollte immer gestalten, Verantwortung übernehmen und Lösungen finden – auch dann, wenn es herausfordernd wurde.
Diese Haltung hat mir nicht nur beruflich viele Türen geöffnet, sondern vor allem Vertrauen geschaffen – im eigenen Team, in der Zusammenarbeit mit Partnern und in den Rollen, die ich heute einnehme. Wenn ich etwas angehe, dann mit vollem Einsatz, mit Weitblick und mit dem Anspruch, einen echten Beitrag zu leisten.
In welchen Situationen denken Sie heute: „Hätte ich das bloß früher gewusst“?
Ich hätte mir gewünscht, früher zu erkennen, wie wichtig Sichtbarkeit ist – besonders als Frau in Führungspositionen. Leistung allein reicht nicht immer aus. Es braucht den Mut, auch gesehen zu werden, sich klar zu positionieren und für die eigenen Erfolge einzustehen.
Lange Zeit habe ich geglaubt, dass gute Arbeit automatisch Anerkennung findet. Doch gerade als Frau in einer männlich geprägten Umgebung muss man sich oft aktiver Raum nehmen – mit Haltung, ohne Härte.
Auch den Wert starker Netzwerke habe ich erst später wirklich verstanden. Heute baue ich nicht nur eigene Netzwerke auf, sondern ermutige gezielt andere Frauen, sich frühzeitig zu verbinden, sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam Einfluss zu nehmen.
Ich hätte mir damals gewünscht, diese strategische Kraft des Miteinanders früher zu erkennen. Heute ist sie ein zentraler Teil meines Wirkens.
Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit mehr Frauen Führungspositionen erreichen und erfolgreicher als Unternehmerinnen werden?
Es braucht in erster Linie Bewusstsein – und dann konsequente Strukturen, die dieses Bewusstsein auch in die Praxis übersetzen.
Frauen bringen alle Voraussetzungen mit, um starke Führungspersönlichkeiten oder erfolgreiche Unternehmerinnen zu sein. Was oft fehlt, sind nicht Kompetenzen – sondern Räume, Chancen und Vorbilder.
Wir brauchen gezielte Programme zur Sichtbarkeit weiblicher Leistung, Zugang zu Kapital, flexiblere Karrierewege und vor allem Netzwerke, die Frauen strategisch begleiten – nicht nur auf dem Papier, sondern im echten Austausch auf Augenhöhe.
Außerdem braucht es ein neues Führungsverständnis, das nicht Anpassung fordert, sondern Vielfalt zulässt. Frauen sollen nicht „führen wie Männer“, sondern in ihrer eigenen Stärke und Stilrichtung wirken dürfen.
Und nicht zuletzt: mehr gegenseitige Unterstützung unter Frauen. Wenn wir lernen, einander nicht als Konkurrenz zu sehen, sondern als Verstärkung, entsteht eine ganz neue Qualität von Leadership und Unternehmertum.
Ihr persönlicher Rat an alle, die eine erfolgreiche (Konzern)-Karriere anstreben?
Setzen Sie sich eigene Maßstäbe – bevor es andere für Sie tun. Eine Karriere im Konzern kann unglaublich lehrreich und erfüllend sein, wenn man klar weiß, wofür man steht, und sich nicht ausschließlich über Hierarchien oder Titel definiert.
Mein Rat: Bringen Sie Kompetenz mit Haltung zusammen. Zeigen Sie Leistung, aber verlieren Sie nicht Ihre Werte. Suchen Sie sich Mentor:innen, Netzwerke und Sparringspartner – nicht erst, wenn es schwierig wird, sondern als strategische Wegbegleiter.
Und vielleicht das Wichtigste: Bleiben Sie neugierig. Wer langfristig erfolgreich sein will, muss bereit sein, sich ständig weiterzuentwickeln – fachlich, aber auch persönlich. Karriere ist kein Ziel, sondern ein Weg. Und dieser Weg sollte zu Ihnen passen, nicht umgekehrt.
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