Stellen wir uns mal vor: Eine Handvoll Männer mit Milliarden auf dem Konto, einem Hang zur Apokalypse und einem Faible für ewiges Leben beschließt, die Welt zu „retten“. Nicht etwa durch Bäume pflanzen oder Krankenhäuser bauen – sondern durch Algorithmen, Datenüberwachung und soignierte Machtnetze in den Hinterzimmern der Politik. Willkommen im Reich von, nein, nicht dem notorisch exzentrischen Elon Musk, sondern seinem diskreteren Gegenspieler: Peter Thiel. Investor, Ideologe, Visionär. Einer, der nicht an Demokratie glaubt, aber umso mehr an sich selbst – und viel investiert, um die Welt vor ihrem Untergang zu bewahren.
Freiheit? Ja – aber doch bitte ohne Wähler*innen
Thiel ist kein gewöhnlicher Tech-Bro. Er ist der Theoretiker unter den Machtstrategen, der Nietzsche unter den Nerds. Bereits 2009 erklärte er, Demokratie sei „unvereinbar mit Freiheit“. Was er meint: Freiheit für Kapital, Kontrolle über Gesellschaft. Seine Firma Palantir – die KI Systeme für Militär, Geheimdienste und Regierungen entwickelt und zur Analyse und Verknüpfung großer Datenmengen genutzt wird – liefert die Infrastruktur dafür. Keine Plattform, sondern Kontrolle als Dienstleistung. Ob zur Verbrechensbekämpfung oder politischen Einflussnahme – die Grenzen verschwimmen. In dieser Welt gelten Bürgerrechte als Systemfehler.
KI als Machtmaschine
Für Thiel ist KI kein neutrales Werkzeug, sie ist ein strategisches Mittel, um bestehende Machtverhältnisse zu zementieren. Der Traum: Maschinen, die menschliche Irrationalität ersetzen. Die Realität: verzerrte Daten, strukturelle Diskriminierung, völlige Intransparenz. Für Frauen heißt das: Wer in Trainingsdaten fehlt, wird ignoriert. Wer kritisch ist, wird sichtbar – und angreifbar. In Palantirs Kosmos ist Sichtbarkeit kein Schutz, sondern Risiko. „Solche Strukturen entziehen sich klassischer Marktlogik – sie bündeln Macht, nicht Verantwortung“, meint Analystin Lucy Nottingham.
Silicon Versalles
Wem das nach Science-Fiction klingt: Die ARD hat einen sechsteiligen Podcast produziert (s.o.), der Thiel und sein mächtiges Universum porträtiert. Er beriet Donald Trump, finanzierte Ron DeSantis, den rechten Gouverneur von Florida, unterstützt den präsumtiven Trump-Nachfolger J.D. Vance und stärkt konservative Netzwerke – nicht öffentlich, sondern mit viel Geld und Einfluss im Hintergrund. Seine Vision: CEO-Monarchien, Netzwerkstaaten, also digitale Gesellschaften, die nicht mehr geografisch, sondern über digitale Netzwerke organisiert sind, mit gemeinsamen Werten, Kryptowährungen, sozialen Verträgen und Online-Governance. Unterm Strich: der technokratische Exit aus dem demokratischen System. Fortschritt wird zur Auslese: wer dazugehört, lebt wie ein Gott. Der Rest? Wird von Algorithmen verwaltet.
Altmännerträume reloaded
Was das mit uns zu tun hat? Alles. Diese Utopie ist keine Netflix-Dystopie. Sie ist real, sie ist finanziert – und längst auf dem Weg zur politischen Realität. Sie verspricht Ordnung, Effzienz, Sicherheit – aber ohne Debatte, Widerspruch, Frauenquote. Eine Zukunft, in der alte Männer ihre Allmachtsfantasien von Kontrolle und digitaler Unsterblichkeit ausleben. Und während wir noch rätseln, ob ChatGPT unsere Jobs übernimmt, bauen Leute wie Thiel längst die Systeme, die bestimmen, wer überhaupt noch mitreden darf.
Zu weich für die Maschine
In dieser Welt haben Frauen wenig Platz. Nicht, weil jemand sie explizit ausschließt – sondern weil sie im Code einfach nicht vorkommen. Fürsorge, Gleichheit, Teilhabe? Keine Metriken, keine Business-Relevanz. In Thiels Logik sind das Relikte aus der analogen Welt – ineffzient, sentimental, überflüssig. Einfach „sehr böse und sehr dumm“, wie es sagt. Und wer trotzdem mitredet, wird schnell zur Interferenz im System: sichtbar, aber nicht erwünscht. Algorithmen, die so gebaut sind, dass sie Stimmen von Frauen ignorieren, tun das nicht aus Absicht – sondern aus System. Darauf müssen wir schauen: mit Absicht und System.