StartErfolgHätte ich das bloß früher gewusstNadia Tor: "Sichtbarkeit macht so viel möglich"

Nadia Tor: „Sichtbarkeit macht so viel möglich“

Die Sales DirectorG&E bei ZTE Austria und Initiatorin von #WomenWorkingWednesdays und #FULLTIMEworkingMOM im Interview über Mut, Authentizität und ihre "Hätte ich das bloß früher gewusst …"-Momente.

Nadia Tor ist Sales DirectorG&E bei ZTE Austria und Vorsitzende des Future Management Club. Mit über zehn Jahren Erfahrung in der Telekommunikationsbranche engagiert sie sich leidenschaftlich für Vielfalt, Innovation und nachhaltige Führung. Als WOMENinICT-Botschafterin und Mentorin stärkt sie die Sichtbarkeit von Frauen in der Technik und inspiriert mit ihrer LinkedIn-Serie #WomenWorkingWednesdays und #FULLTIMEworkingMOM, in der sie jeden Mittwoch eine neue inspirierende Frau vor den Vorhang holt. Dieses Mal haben sich die Rollen getauscht: sheconomy hat Nadia Tor zum Interview getroffen und mit ihr über ihre Game Changing Moments gesprochen.

Was war ihr persönlicher Game Changing Moment?

Mein Game-Changing-Moment war, als ich nach der Geburt meiner Tochter Mia mit einem Jahr wieder Vollzeit in meinen Job zurückgekehrt bin. Plötzlich war ich mit einer Flut an Vorurteilen, Kommentaren und gut gemeinten Ratschlägen konfrontiert – von „Hast du dir das wirklich gut überlegt?“ über „Wer passt denn auf die Kleine auf?“ bis hin zu Sätzen wie „Das wird dir leid tun, wenn dein Kind 18 ist und du nicht für sie da warst.“ Diese Momente haben mir die Augen geöffnet: für die tief verankerten gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter und für die Notwendigkeit, bewusst gegenzusteuern. Ich habe damals beschlossen, mich davon nicht einschüchtern zu lassen, sondern meinen eigenen Weg zu gehen – und heute setze ich mich dafür ein, dass andere Frauen diese Freiheit und Unterstützung auch haben.

Was hätten Sie zu Beginn der Karriere gebraucht, was damals noch nicht vorhanden war, aber heute verfügbar ist?

Mir haben zu Beginn vor allem die Role Models gefehlt – Frauen, die Vollzeit arbeiten, Kinder haben und sichtbar zeigen, dass beides möglich ist. Ich hätte mir gewünscht, solche Beispiele in meinem direkten Umfeld zu sehen, um zu wissen: Ich bin nicht allein, es gibt Wege, Karriere und Familie zu vereinbaren. Diese Lücke hat mich motiviert, selbst eine Welt mitzugestalten, in der diese Frauen sichtbar werden, ihre Geschichten erzählt werden und andere ermutigen können, ihren eigenen Weg zu gehen.

Was hatte den größten Impact auf Ihre Laufbahn?

Am größten war der Einfluss der Sichtbarkeit. Sichtbarkeit macht so viel möglich – sie öffnet Türen, erweitert Netzwerke und verstärkt die Reichweite von Ideen und Meinungen. Sie sorgt dafür, dass man wahrgenommen wird und Chancen überhaupt erst entstehen. Natürlich bringt Sichtbarkeit auch eine größere Angriffsfläche mit sich. Kritik und Gegenwind gehören dazu. Aber für mich überwiegt der Gewinn an Möglichkeiten, Inspiration und Wirkungskraft bei weitem.

Was war der größte Karriere-Boost?

Einen einzelnen, klar definierten Karriere-Boost kann ich so nicht benennen – jede Phase im Leben kann ein neuer Schub sein. Was mir jedoch definitiv geholfen hat, war, gezielt Coaching in Anspruch zu nehmen. Durch das Coaching konnte ich klare Zielsetzungen formulieren und mich bewusst damit auseinandersetzen, was ich anpassen oder verändern möchte, was ich erreichen will – und genauso, was ich unbedingt beibehalten möchte. Diese Klarheit hat viele Entscheidungen beschleunigt und mich in meiner Entwicklung gestärkt.

In welchen Situationen denken Sie heute: „Hätte ich das bloß früher gewusst“?

Ich glaube, man lernt im Laufe des Lebens ständig dazu. Was mir jedoch besonders geholfen hat – und was ich gerne früher verinnerlicht hätte – ist eine Sichtweise, die ich im Zuge meines Coachings entwickelt habe: Wenn andere Menschen nicht mit mir übereinstimmen oder mir „gut gemeinte“ Ratschläge geben, hat das oft nichts mit mir zu tun, sondern mit ihrem eigenen Leben und ihren Erfahrungen. Sie können sich meine Entscheidungen oder meinen Weg schlicht nicht in ihrer Realität vorstellen, weil ich Dinge anders mache, als sie es tun würden. Diese Erkenntnis und die Fähigkeit, mit etwas Abstand darauf zu schauen, macht vieles leichter – vor allem den Umgang mit gegenteiligen Meinungen. Denn meine Realität ist eine andere als die von anderen – und umgekehrt.

Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit mehr Frauen Führungspositionen erreichen und erfolgreicher als Unternehmerinnen werden?

Für mich sind drei Dinge entscheidend: Erstens braucht es deutlich mehr sichtbare Role Models – Frauen, die zeigen, dass Karriere und Familie vereinbar sind, und damit anderen Mut machen. Zweitens müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. In Österreich gibt es beispielsweise bei Teilzeit einen Kündigungsschutz, bei Vollzeit aber nicht – was viele Frauen von einer Rückkehr in die Vollzeit abhält. Möchte man während der Karenz geringfügig arbeiten, kann der Arbeitgeber das zudem ablehnen. Das ist schade, weil es den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erleichtern kann. Drittens müssen die Betreuungsangebote verbessert werden – besonders außerhalb von Wien. Dort ist es oft eine echte Herausforderung, passende Kinderbetreuung zu finden, die mit den Arbeitszeiten kompatibel ist. Wenn wir diese Hürden abbauen, schaffen wir reale Chancen für mehr Frauen in Führung und Unternehmertum – und gleichzeitig sollten wir gezielt mehr Erfolgsgeschichten sichtbar machen.

Ihr persönlicher Rat an alle, die eine erfolgreiche (Konzern)-Karriere anstreben?

Mein wichtigster Rat ist: Reflektiert euch immer wieder selbst. Wo möchte ich hin? Was macht mich wirklich glücklich? Wo sehe ich mich in ein, fünf oder zehn Jahren? Und es ist völlig in Ordnung, wenn sich dieses Bild im Laufe des Lebens verändert. Entscheidend ist, dass ihr euch treu bleibt, ehrlich zu euch selbst seid und euren Träumen folgt – auch wenn der Weg manchmal Umwege oder Anpassungen erfordert. Authentizität und Klarheit über die eigenen Ziele sind der Kompass, der euch langfristig Erfolg und Erfüllung bringt.

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Fotomaterial(c) Moritz Scheer

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