20 Jahre lang pflegte Brigitte Bührlen ihre Demenz-kranke Mutter. Sie weiß, wie es ist als pflegende Angehörige von Politik und Gesellschaft übersehen zu werden. Mit der WIR! Stiftung Pflegender Angehörige macht sie auf die Probleme der Berufsgruppe aufmerksam.
Diesen Job sucht sich frau nicht aus. Er bricht in das Leben manchmal von einem auf den anderen Tag mit voller Wucht ein und zieht sich über Jahre, manchmal über Jahrzehnte. Es trifft Frau oder Mann gleichermaßen – gnadenlos und ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen oder anderweitige berufliche oder privaten Verpflichtungen. Der Job kennt keine zeitlichen Limits, rund-um-die-Uhr-Einsätze sind eher die Regel als die Ausnahme – Ruhepausen an Sonn- und Feiertage sind im Profil nicht vorgesehen. Der Job wird nicht bezahlt, fällt unter keinen Tarifvertrag. Der Berufsstand hat keine Lobby, für bessere Umstände geht niemand auf die Straße. „Pflegende Angehörigen“ arbeiten im Stillen, laufen unter dem gesellschaftlichen Radar – gäbe es nicht Menschen wie Brigitte Bührlen…
Die gelernte Physiotherapeutin hat am eigenen Schicksal erlebt, wie es sich anfühlt als „pflegende Angehörige“ einer Aufgabe nachgehen zu müssen, die von der Gesellschaft und der Politik weitestgehend ignoriert wird. 20 Jahre begleitete sie ihre Mutter durch deren Demenz. „Angesichts der persönlichen Betroffenheit, die man bei der Pflege Angehöriger oder von Menschen aus seinem näheren Umfeld empfindet, der großen Leistung, die in psychischer, physischer, mentaler und finanzieller Hinsicht erbracht wird, angesichts der Gesamtbelastung, denen Familien oft ausgesetzt sind, bin ich zu der für mich bestürzenden Erkenntnis gekommen: ‚Pflegende Angehörige‘ stehen auf verlorenem Posten.“
Brigitte Bührlen hat ihre persönliche Betroffenheit zu ihrem Thema gemacht und gehört zu den wenigen lauten Stimmen, die sich stark machen. „Die WIR! Stiftung Pflegender Angehöriger habe ich gegründet, weil es mir ein großes Anliegen ist, dass „pflegende Angehörigen“ entsprechend ihrer wichtigen familiären, sozialen und gesellschaftspolitischen Funktion die ihnen gebührende Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, sie Rechte bekommen und ermutigt werden selbst zu sagen was sie brauchen. Neben der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sind auch die gendergerechte Aufteilung und Finanzierung von Sorgearbeit wichtige Themen für eine Zukunft, die schon längst begonnen hat.“
Ihr Engagement in der eigenen Stiftung, als Sachverständige, als Referentin und Autorin wurde mit zahlreichen Auszeichnungen, wie beispielsweise 2020 mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber, gewürdigt. Doch bei aller Anerkennung für ihren persönlichen Einsatz – Brigitte Bührlen gibt sich keinen Illusionen hin: „Wir habe viele pflegebedürftige Mitmenschen jeglichen Alters und wissen nicht, wie wir sie menschenwürdig versorgen sollen. Mit der „WIR! Stiftung Pflegender Angehöriger“ wollen wir einen Beitrag leisten, um dem Totschweigen dieses Themas etwas entgegenzusetzen.“