StartMoneyGezeitenwende an den Börsen

Gezeitenwende an den Börsen

Die Inflation wird das Börsengeschehen noch länger beeinflussen. Der Zenit bei der Teuerung scheint erreicht, jedoch dürften sich die Notenbanken mit den Zinssenkungen Zeit lassen. Wie in solch einem Umfeld ein ausgewogenes Portfolio gelingen kann und weshalb Nachhaltigkeit eine wachsende Rolle spielt, zeigen Top-Privatbankerinnen auf.

Die Euphorie rund um die Inflationsentwicklung ebbte jüngst ein wenig ab. Der Zenit dürfte zwar überschritten sein, zuletzt geriet aber der Rückgang bei der Teuerung ins Stocken. Hoffnungen auf eine allzu rasche Zinssenkung schwinden. Die Daten vom Jänner sorgten bereits für eine erste Ernüchterung: In den USA stiegen die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 3,1 Prozent und damit stärker als erwartet. In der Eurozone sank allein die Kerninflation, somit ohne die Preisberechnung von Energie, Tabak und Nahrung, auf 3,3 Prozent – und damit weniger als erwartet. Im Februar sank die Kerninflation zwar auf 3,1 Prozent, lag damit allerdings noch immer über den Erwartungen. Marktbeobachter*innen führen solche Entwicklungen vor allem auf gestiegene Lohnkosten zurück.

Sabine Skorka, Leiterin des Private Banking, Bankhaus Spängler: „Die Berücksichtigung noch schärferer Nachhaltigkeits-Kriterien erfolgt in individuellen Strategien mit speziellen Vorgaben.“

Die Frage bleibt, wie die Notenbanken reagieren werden und wie Top-Privatbankerinnen sich mit einem ausgewogenen Portfolio auf das Umfeld einstellen. Die Währungshüter jenseits des Atlantiks haben zuletzt jedenfalls klargestellt, dass sie es mit dem ersten Zinsschritt nach unten nicht eilig haben. Der wird nunmehr frühestens im Sommer 2024 erwartet. Ähnlich zaghaft dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) vorgehen. „Sie möchte vor allem noch Daten zu den Lohnabschlüssen im ersten Quartal abwarten“, konstatiert Sabine Skorka, Leiterin des Private Banking Steiermark beim Bankhaus Spängler.

Die wachsende Unsicherheit rund um die Geldpolitik könnte freilich auch zu einem turbulenteren Marktumfeld führen. Ein ausgewogenes Portfolio sollte deshalb gut durchdacht sein. Und auch jede Menge solider Bonds enthalten. Bei der Kathrein Privatbank lag der gesamte Anleiheanteil zuletzt bei mehr als 42 Prozent, wovon ein großer Teil in Staatsanleihen investiert wird. Die Mischung ist breit und umfasst unter anderem Staatsanleihen aus dem Euroraum sowie jene aus den USA. Selbst aus den Schwellenländern werden Papiere öffentlicher Emittenten in den jeweiligen Währungen inkludiert.

Langfristige Chancen

Silvia Richter, Vorstandsmitglied bei der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB Oe): „Unsere Produkte müssen neben den fundamentalen und qualitativen Kriterien unsere Kriterien zu Nachhaltigkeit erfüllen.“

Auch Silvia Richter, Vorstandsmitglied bei der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKB Oe), verweist auf die Beimischung von Schwellenländer-Bonds. „Die Emittenten sind in der Regel Staaten oder sehr große Unternehmen und partizipieren daher auch direkt an dem Wachstum des jeweiligen Schwellenlandes“, präzisiert Richter. Sie verweist zudem auf das mittelfristige Potenzial für Währungsaufwertungen in den Regionen.

Beim Bankhaus Spängler hat man dieses Währungsrisiko bei solchen Papieren hingegen abgesichert. Und noch ein Detail fällt auf. Skorka verweist auch auf eine Beimischung an inflationsgeschützten Anleihen. Das Besondere an diesen Papieren: Kupon und Nominale werden in der Regel stets an die Inflation angepasst. Der Anleihekurs wird wiederum von der allgemeinen Marktnachfrage bestimmt. Weil die Nachfrage im Vorjahr abgeebbt war, hatten sich die Papiere entsprechend vergünstigt.

Doch dieser Umstand kann sich rasch ändern, etwa dann, wenn sich allein im Suezkanal der Konflikt verschärft. Dort greifen Huthi-Rebellen seit einiger Zeit Containerschiffe, die von Asien nach Europa Güter transportieren, an. Die meisten Reedereien wählen inzwischen die längere und damit kostspieligere Route rund um Afrika. Die Folgen sind bereits sichtbar: So verkündete beispielsweise Mitte Jänner die französische Reederei
CMA eine Verdoppelung der Frachtraten auf 6.000 US-Dollar je Container.

Auch solide Qualitätsaktien sollten deshalb nicht fehlen. Denn gut aufgestellte Unternehmen können in der Regel Preissteigerungen an ihre Kund*innen weitergeben. Beim Bankhaus Spängler lag die Aktienquote im ausgewogenen Musterportfolio zuletzt übrigens bei 54 Prozent. Skorka verdeutlicht die Strategie: „Wir bevorzugen die USA gegenüber Europa, wobei beide Regionen zusammen etwa 90 Prozent der Aktienallokation ausmachen.“

Pazifik als Beimischung

Obendrein werde der pazifische Raum – inklusive Japan – beigemischt. Der Investmentansatz ist unterschiedlich. So werden Investments in Indizes wie den Stoxx 600 in Europa, den S&P 500 und den Dow Jones mit börsengehandelten Indexfonds, sogenannten ETF (Exchange Traded Funds), abgedeckt. Obendrein wird in eine Palette an Einzelaktien aus den USA und Europa investiert.

Birgit Fleischmann, Private-Banking-Leiterin: „US amerikanische Aktien weisen derzeit im internationalen Vergleich besonders hohe Bewertungen auf.“

Noch höher ist der Aktienanteil im ausgewogenen Musterportfolio der Kathrein Privatbank, er lag zuletzt bei 57,5 Prozent. Auch hier stehen die USA zwar besonders im Fokus. Die Gewichtung ist dennoch etwas geringer als beispielsweise im MSCI-Weltindex, ein wichtiger Maßstab für viele Investor*innen. Private-Banking-Leiterin Birgit Fleischmann begründet die Vorsicht: „US-amerikanische Aktien weisen im internationalen Vergleich derzeit besonders hohe Bewertungen auf.“ Die Bewertungen bei Aktien aus Japan und Kanada seien hingegen attraktiver.

Vor allem der japanische Leitindex Nikkei 225 sticht derzeit hervor. Denn Ende 1989 war eine gewaltige Spekulationsblase geplatzt. Nach einer jahrzehntelangen Talfahrt hat der Index vor einiger Zeit zu einer kräftigen Aufholjagd angesetzt und im Februar endlich ein neues Rekordhoch erreicht. Schließlich haben viele Firmen Nippons ihre Hausaufgaben gemacht und setzen ihr Kapital weitaus effizienter ein.

Selbst spezielle Themen – sogenannte Satelliten-Investments – runden die Portfolios ab. Bei der ZKB Oe etwa wird dies mit einem hauseigenen Dachfonds abgedeckt. Solche Produkte investieren in mehrere einzelne Investmentfonds, anstatt in Einzeltitel, um eine breitere Streuung zu erzielen. „Unser Dachfonds setzt vor allem auf Zukunftsthemen. Dabei werden nebst Künstlicher Intelligenz unter anderem Themen wie der demografische Wandel sowie die Energieversorgung abgedeckt“, erklärt Richter.

Auch die Nachhaltigkeit darf im Private Banking längst nicht fehlen und spielt eine wachsende Rolle. Dazu unterziehe man jeden Anlagebaustein einer genauen Prüfung, betont Richter. „So werden jene Produkte eingesetzt, die neben den üblichen fundamentalen und qualitativen Kriterien unsere definierten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.“ Und wie gehen andere Expertinnen vor? Gut 30 Prozent des ausgewogenen Musterportfolios bei der Kathrein Privatbank sind in Fonds investiert, die ein striktes Nachhaltigkeitskonzept umsetzen, das sowohl Negativ- als auch Positivkriterien berücksichtigt, erklärt Fleischmann.

Es gibt somit klare Ausschlusskriterien, die bei Unternehmen (beispielsweise die Waffenherstellung und die Atomstromproduktion) und Staaten angewendet werden. Bei Branchen, die sehr wohl in Frage kommen, wird auf jene Unternehmen gesetzt, die sich mit ihren Nachhaltigkeitsbemühungen besonders hervorheben. Im englischen Fachjargon ist bei solch einem Vorgang die Rede vom „Best-in-Class“-Ansatz. Ein konkretes Beispiel ist etwa der „Kathrein Sustainable Global Equity“-Fonds.

Nachhaltige Spielregeln

Skorka verweist wiederum auf das Anlageuniversum in ihrem Haus. „Dieses unterliegt der ‚Spängler-Nachhaltigkeits-Policy‘.“ Dazu wurden etwa die UN Principles for Responsible Investment (UNPRI) – zu Deutsch, die „Prinzipien für verantwortliches Investieren“ der Vereinten Nationen unterschrieben. „Somit verpflichten wir uns, in unseren Investitionsaktivitäten ESG-Kriterien zu berücksichtigen.“ ESG steht für „Environmental“, „Social“ und „Governance“. Das heißt, Anleger*innen berücksichtigen nachhaltige und soziale Kriterien, achten zudem auf eine faire Unternehmensführung. Skorka verweist auf zusätzlichen Spielraum: „Die Berücksichtigung weiterer, noch schärferer ESG-Kriterien erfolgt in individuellen Investmentstrategien mit speziellen Nachhaltigkeitsvorgaben.“

Alles in allem sollten Anlegerinnen im aktuellen Umfeld auf eine breite, ausgewogene Mischung setzen. Es gibt derzeit zahlreiche Unsicherheitsfaktoren, zu denen allen voran die Inflationsentwicklung sowie die geopolitischen Konflikte zählen. Verluste sind jedoch auch bei all diesen Strategien möglich.


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