Uns ereilte ein Anwaltsschreiben eines ehemaligen Mitarbeiters, nennen wir ihn Herrn M. auf entlassungsgeschützte Elternteilzeit; Streitwert: EUR 100.00. Ich verstand die Welt nicht mehr. Herr M. war insgesamt 3 Monate und 2 Tage als 25 Stunden Teilzeitkraft beschäftigt. Anfänglich lief es gut, dann ging es los. Herr M. kam zu spät, ging früher oder verschwand überhaupt ohne Vorankündigung während der Arbeitszeit. Als ich ihn in einem persönlichen Gespräch auf seine Unzuverlässigkeit ansprach und er auch noch ein Firmenhandy bekam, zeigte er sich einsichtig. Mitte Dezember dann der Eklat: erneut verließ er die Kanzlei ohne Vorankündigung. Ich sprach eine ordnungsgemäße Kündigung aus. Kurz vor Weihnachten flatterte die Klagschrift in mein Büro. Der Anwalt erklärte, das zwischen Herrn M. und uns mündlich eine Elternteilzeit vereinbart wurde und er daher die nächsten Jahre kündigungs- und entlassunggeschützt sei. Ich war sprachlos, denn die behauptete Vereinbarung fand so nie statt. Es stand Aussage gegen Aussage. Die Richterin beim ASG empfahl einen Vergleich. Die Alternative wäre ein langjähriger Beweiswürdigungsprozess mit ungewissem Ausgang gewesen. Herr M. schraubte seine Forderung von EUR 100.000 auf 5 Monatsgehälter zurück, bestand aber auf ein ausgezeichnetes Dienstzeugnis und eine nachweisliche Löschung seiner Verwarnungen – eine Farce; aber ein juristisch angeratener Vergleich wurde gefunden.
Warum erzähle ich Ihnen davon?
Es geht mir nicht um Herrn M. – dieser Fall ist abgeschlossen. Was bleibt, ist aber eine offensichtliche Schwäche und Lücke im Gesetz, die auf Kosten derjenigen ausgenutzt werden kann, die wirklich auf Elternteilzeit angewiesen sind. Ein EUGH Urteil schon aus 2012 lässt diese behauptete mündliche Vereinbarung von Elternteilzeit zu; nach österreichischem Arbeitsrecht müsste dies schriftlich vereinbart sein und der Dienstnehmer mindestens drei Jahre im Unternehmen. Der OGH hat sich aber bis jetzt schon mehrmals auf dieses EUGH Urteil bezogen und lässt daher diese Beweiswürdigungsfrage zu. In ganz Europa gibt es aber kein ähnliches Arbeitsrecht wie in Österreich. Allein die Frage der Beweiswürdigung ist lächerlich: Welche Unternehmung, welcher Mensch würde eine fremde Person ohne zu wissen was sie kann entlassungsgeschützt auf die nächsten sieben Jahre einstellen – das entbehrt jeglicher Logik und jeglichen Hausverstandes.
Vorfälle wie der hier beschriebene bewirken, dass sich Arbeitgeberinnen, mich eingeschlossen, in Zukunft zweimal überlegen werden, bevor sie jemand in Teilzeit anstellen, der Kindern unter sieben Jahre hat (Elternteilzeit gilt nur für Eltern mit Kindern bis zu sieben Jahren). Zu hoch ist das Risiko dabei finanziell über den Tisch gezogen zu werden. Leidtragende sind am Ende jene Väter und Mütter, die neben ihren Kindern in Teilzeit arbeiten oder nach einer Karenz wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Ich verstehe diese Kolumne daher als Weckruf: Die rechtliche Grundlage der Elternteilzeit muss überarbeitet werden! Eine Zusage sollte unbedingt schriftlich erfolgen müssen und nicht auch mündlich geltend gemacht werden können. Die aktuelle Regelung öffnet ganovenhaftem Verhalten Tür und Tor. Das ist kontraproduktiv für das Familienland Österreich
Über die Autorin
Claudia Stadler ist Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei cSt-causa in Wien und bietet Klient*innen individuell maßgeschneiderte Lösungen an. Sie ist seit 2017 gerichtliche Mediatorin und daher auch Expertin für konfliktfreie Lösungen.