StartBusiness10 konkrete Tipps für mehr betriebliche Nachhaltigkeit

10 konkrete Tipps für mehr betriebliche Nachhaltigkeit

Früher war sie Unternehmensberaterin, heute hat sie ihr eigenes Unternehmen und hilft anderen Firmen, grüner zu werden. Ein Interview mit Tina Deutsch über konkrete Sustainability-Tipps für Unternehmen, was die Weight Watcher-Methode mit mehr Nachhaltigkeit in der Führungsebene zu tun hat und wieso es wichtigere Dinge gibt, als beim Einkaufen das eigene Sackerl dabeizuhaben.

Tina Deutsch ist Co-Founderin und Managing Partnerin von Klaiton, einer Wiener Online-Plattform, die Berater:innen an Organisationen vermittelt. Deutsch hat selbst jahrelang als Führungskraft in Unternehmen und als Beraterin bei Deloitte Consulting gearbeitet, bevor sie mit ihrem Kollegen Nikolaus Schmidt 2015 ihre eigene Firma gründete. Bei Klaiton zeichnet sie heute für sogenannte Green Projects verantwortlich, also das Begleiten von Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltigerem Wirtschaften.

Mit Change Management und Coaching hat sie Erfahrung, ebenso mit den Hürden, mit denen sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen vertraut sind, wenn sich Mindset und Operations zugunsten von Umwelt und Arbeitsbedingungen ändern sollen.

Wer etwas ändern will, braucht eine klare Richtung, ein eindeutiges Ziel und einige Meilensteine am Weg dorthin. Wie sieht er also aus, der Weg zu einer besseren Nachhaltigkeitsbilanz? Tina Deutsch hat dazu einen Appell an den Gesetzgeber und 10 Tipps für Unternehmen im Gepäck, um Nachhaltigkeit auf ganzer Linie zu leben.

Immer wieder wird von systemischen Änderungen gesprochen. Dazu bräuchte es aber auch den Gesetzgeber an Board. Muss das Ganze also von oben nach unten oder wie eine Grassroot-Bewegung von unten nach oben gehen? Beides, findet Tina Deutsch. Man sei an einem Punkt angekommen, wo alle mit anpacken müssten. Kritisch seien vor allem Vorlaufzeiten, die klimarelevante Investitionen in Unternehmen benötigen, um zu greifen.

Nachhaltigkeits-Expertin Tina Deutsch, Co-Founderin von Klaiton

Unternehmen brauchen also mehr Rechts- und Planungssicherheit, damit sie mit vollem Schwung in die Energiewende starten können und wissen, was kommt.

Man müsse sich als Unternehmer:in einfach verlassen können, dass Vorgaben auch in drei Jahren noch so aussehen wie heute und sich nicht aufgrund von Partikularinteressen der Politik einfach wieder ändern. „Und ganz simpel auf der emotionalen Ebene ausgedrückt: Man will einfach nicht der einzige Dodl sein, der sich bemüht, etwas für Umwelt und Gesellschaft zu erreichen.“

 

 


10 Tipps für mehr betriebliche Nachhaltigkeit

Wie genau Unternehmen nachhaltiger werden können, erklärt Deutsch in insgesamt 10 Tipps. Von der Metaperspektive bis hin zu handfesten, sofort umsetzbaren Quick Wins.

1. Beständigkeit

Nur wenn Unternehmer:innen erwünschtes Verhalten ihrer Mitarbeiter:innen dauerhaft belohnen, wenn sich Botschaften nicht laufend ändern, sondern konstant bleiben, werden sich alle Beteiligten adaptieren.

2. Glaubwürdigkeit

Beständige Botschaften müssen auch ins Daily Business übergehen, Eingang in Meetings und Reportings und v.a. in Incentivierungsmechanismen wie Boni etc. finden, damit sie greifen. Ein Plakat mit ein paar grünen Schlagworten am Gang bringt niemandem etwas – zumindest nicht allein.

3. Hinterfragen von eingefahrenen Glaubenssätzen

Glaubenssätze, was als „gut“ oder „wichtig“ gilt, bauen sich in jedem Menschen über Jahre und Jahrzehnte auf – es ist unrealistisch, dass sich diese innerhalb kürzester Zeit ändern. Dazu zählen etwa große Autos als Statussymbole, oder kleiner gedacht: Dass eine Torte nur dann gut ist, wenn ein Ziegel Butter und zehn Eier drin sind. Man muss sich also auch als Unternehmen laufend fragen: Was sind unsere Glaubenssätze, was stellt man als „erfolgreich“ dar?

4. Raum oder sogenannten Überschuss schaffen

Wer etwas Grundlegendes im eigenen Leben oder in einer Organisation ändern möchte, braucht eine Art Überschuss: „Wenn ich abnehmen will, kann ich das nicht parallel zum ganzen Stress in der Arbeit, Kinderbetreuung und Herumhetzen schaffen. Ich muss mir irgendwo einen Break schaffen, wo es weniger stressig ist und ich vielleicht schaffe, öfter einzukaufen oder frisch zu kochen und Sport zu machen und so langsam meine Gewohnheiten umzustellen“, erklärt Deutsch. Dasselbe gilt für Unternehmen. Sonst schiebt man das von einem Quartal ins nächste und von einem Reporting zum anderen.

5. Intensive Befassung mit der Thematik

Ist der in Punkt 4 angesprochene Raum freigeschaufelt, sollten Entscheider:innen, wenn das Thema für sie noch ganz neu ist, sich zumindest eine Woche nehmen, in der es nur ums Einlesen und Lernen über dieses Topic geht – denn Wissen und Erkenntnis sind die Basis für Veränderung.

Also: Was sind die Benchmarks in der Branche, welche Fachbegriffe geistern da herum, den kompletten End-to-End-Prozess mit der Nachhaltigkeitsbrille durchdenken. „Ein paar Module von Coursera belegen, einen Kurs bei Glacier oder sogar der Harvard Business School machen“, rät Deutsch.

6. Sich Verbündete auf Augenhöhe suchen

Es kann extrem überfordernd sein, in dieser ganzen Diskussion erst jetzt zu beginnen, etwas zu ändern. Nachhaltigkeit wird schon breit debattiert. Hier kann schon einmal das Gefühl entstehen, man müsse sich im Geheimen einlesen: „Man traut sich nicht mehr zu fragen, weil sich alle scheinbar schon auskennen. Am besten suche ich mir also ein paar Commitment-Buddies, mit denen ich diesen Weg gemeinsam gehe, die auf meinem Level sind, mit denen ich mich austauschen kann“, erklärt Deutsch. Es sei wie bei den Weight Watchers: Man teilt den Prozess miteinander und kann einander auch bestärken und unterstützen.

7. Rahmenbedingungen schaffen, die Veränderungen ermöglichen

Rahmenbedingungen können bedeuten, dass der unternehmerische Erfolg neu definiert wird oder Reporting-Standards überarbeitet werden müssen. Nachhaltigkeit muss abgebildet werden, und dazu reichen die monatlichen Umsatzzahlen nun einmal nicht aus. Das Thema Nachhaltigkeit muss sich also, wie bisher die Profitabilität, auch in Meetings regelmäßig als Kennzahl niederschlagen: „Es muss sich de facto die Art und Weise ändern, wie und was ich messe, belohne und worüber ich in Teammeetings spreche“, sagt Deutsch.

8. Partner:innen und Expert:innen an Board holen

Die Umsetzung und Messung der Maßnahmen zu mehr Nachhaltigkeit muss nicht alleine passieren, auch das kann anfangs überfordernd sein. Es gibt Unternehmen, die Software für Energieeffizienz anbieten, es gibt Firmen, die CO2-Bilanzierung und ESG-Management auf Knopfdruck machen oder Berater:innen, die bei nachhaltigen Themen extrem umsetzungsstark sind: „Auf allen Ebenen lässt sich etwas bewegen. Das Wichtigste ist es, anzufangen und im ganzen Prozess nachhaltiges Denken in der ganzen Belegschaft zu fördern“, sagt die Expertin.

9. In Hebelwirkungen denken

Ein anderes Wort für Hebelwirkungen ist Impact. Es geht darum, nicht immer im selben System zu bleiben und vor sich hinzuwurschteln. Deutsch bricht es herunter: „Als Privatperson kann das heißen: Es ist super, wenn ich beim Einkaufen immer meine eigenen Sackerln mithabe. Einen viel größeren Hebel für die Umwelt habe ich aber, wenn ich nachdenke, mit wem ich reden oder zusammenarbeiten kann, um auf viel größerer Ebene Dinge ins Rollen zu bringen.“

Das kann entweder ein Draht zu politischen Verantwortlichen sein, ein Gespräch im Rathaus, bei dem oder der man Klimaprojekte pitchen oder Veränderungen anstoßen kann. Das kann ebenso der Start einer Petition sein. Oder zurück ins Unternehmen: „Als Beratungsdienstleister haben wir einen kleinen ökologischen Fußabdruck. Wir produzieren nichts. Aber unsere Berater:innen sind bei hunderten großen Unternehmen am Werk, das sind wichtige Multiplikator:innen. Wie bringe ich also die dazu, bei jedem Projekt das Thema Nachhaltigkeit mitzudenken?“

10. Prozesse End-to-End denken

Die ersten 9 Punkte geben einen guten Fahrplan für das Umstellen des eigenen Unternehmens vor. Richtig viel bewegt sich natürlich, wenn nicht nur Scope 1 (selbst verursachte Emissionen), sondern auch Scope 2 und 3 (indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie sowie direkte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette) mitgedacht werden. Dasselbe gilt auch für die sozialen Dimensionen Diversity und Gender Equity.

Deutsch zum letzten Punkt auf der Liste: „Eine mir bekannte Leiterin einer Konzerneinkaufsabteilung hat bei ihren externen Berater:innen verlangt, dass jedes ihr präsentierte Beratungsteam ab sofort geschlechtsdivers ist. Und siehe da, plötzlich war das auch möglich. Auswahlkriterien für Lieferant:innen sind sehr mächtig und ziehen sich durch die gesamte Wertschöpfungskette. Einfach darauf zu warten, was der Gesetzgeber vorgibt, ist aus meiner Sicht nicht genug. Wir müssen gesellschaftlich zu einem Punkt kommen, wo Denken und Handeln im Sinne des Allgemeinwohls belohnt und bewundert wird – nicht die kurzfristige Profitoptimierung einer einzelnen Person oder Organisation. Nicht das nächste Unicorn gehört auf’s Cover – sondern das Unternehmen, das echten gesellschaftlichen Wert stiftet.“

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